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BONNEN – Am Schwarzen Stein

Am Schwarzen Stein

Dikt

5'46

T: Per Wahlöö
aus dem Schwedischen von E. Schultz
M: Dietmar Bonnen

Edina Soriano: Gesang
Dietmar Bonnen: Gesang
Markus Reinhardt: Violine
Manfred Niehaus: Viola
Martin Süsterhenn: Cello
Andreas Schilling: Kontrabaß

Vieil Oceán

8'35

T: Comte de Lautréamont
M: Dietmar Bonnen

Antje Späth: Stimme
Michael Lerner: Trompete
Ernst Gaida-Hartmann: Baß, Gitarre, Schlagzeug
Dietmar Bonnen: Akkordeon, Shanai, Elektronik, Ambiente

Beim Rönsch

10'35

M: Dietmar Bonnen

Gerhard Veeck: Saxophone
Dietmar Bonnen: Elektronik, Rohre, Ambiente

Das Feld

4'10

T: Ernst Gaida-Hartmann
M: Dietmar Bonnen

Edina Soriano: Gesang
Gagga Deistler: Gitarre
Ernst Gaida-Hartmann: Rhythmusarrangement, Streichholz
Dietmar Bonnen: Elektronik

Schleuse

10'13

T: Khalid Al-Maaly
M: Dietmar Bonnen

Khalid Al-Maaly: Stimme
Markus Reinhardt: Violine
Janko Wiegand: Gitarre
Andreas Schilling: Kontrabaß
Ernst Gaida-Hartmann: Elektronik
Dietmar Bonnen: Elektronik

Solingen

8'21

M: Dietmar Bonnen

Dietmar Bonnen: Gesang, Orgel
Gagga Deistler: Gitarre
Ernst Gaida-Hartmann: Vocoder

Romance Sonámbulo

9'24

T: Federico Garcia Lorca
M: Dietmar Bonnen/Ernst Gaida-Hartmann

Consuelo Sanudo: Gesang
Michael Lerner: Trompete
Ernst Gaida-Hartmann: Elektronik, Darabuka, Ambiente
Dietmar Bonnen: Rumänische Rohrflöte, Darabuka, Minimoog

De Profundis

6'08

T: Psalm 129 (130)
M: Arvo Pärt

Achim Rodewald: Gesang
Dietmar Bonnen: Gesang
Ernst Gaida-Hartmann: Perkussion

Streicherkollektiv der Bruder-Klaus-Siedlung, 51063 Köln
unter der Leitung von Dietmar Bonnen

Dying On The Vine

10'01

T: John Cale/Larry Sloman
M: John Cale

Dietmar Bonnen: Arrangement, Gesang, Orgel, Elektronik, Ambiente

Aufgenommen zwischen Juli '92 und Juni '93

Aufnahme : Ernst Gaida-Hartmann
Mix: Dietmar Bonnen, Ernst Gaida-Hartmann
Mastering: Ansgar Ballhorn
Layout: Dietmar Bonnen
Titelbild: Ulrike Rosner
Zeichnung »Melancholie«: Bernhard Kucken
Fotos: Uli Grohs
Satz und grafische Beratung: Manfred Voigt

Gestaltung und Musik dieser CD sind dunkel, schwarz: schwarzgallig. Die Musik, neun zu einem Ganzen verbundene Stücke, und ihre Verpackung weisen in das Dunkel der Melancholie.
Text und Musik der Stücke sind jeweils unterschiedlich auf einander bezogen.

In »Dikt« erklingt ein Text von Per Wahlöö zur Musik eines Streichquartetts, das nach und nach durch Überlagerungen deformiert wird.

»Vieil Océan« stellt die Musik in den Vordergrund; die Worte aus »Les Chants de Maldoror« von Comte de Lautréamont (d.i. Isidor Ducasse, 1847-1870) werden innerhalb einer Sprachfuge wie Musikinstrumente behandelt, die teils bis zur Unverständlichkeit verfremdet, teils wieder verstehbar ertönen. Die Musik erklingt zunächst als Geräusch: verfremdete Klänge der Antarktis - gegen Ende sind Lautréamonts Worte wieder verstehbar: "... aber... Courage! Nehmen wir unsere ganze Kraft zusammen, und vollenden wir mit dem Gefühl der Pflicht unser Schicksal auf Erden. Ich grüße dich, alter Ozean!"

»Beim Rönsch« versetzt in die Umgebung der Wäscherei »Rönsch«. Der Kölner Saxaphon-Mafioso Gerhard Veeck spielt die ganze Saxophonfamilie, hat aber jeweils nur einen Ton zur Verfügung. Zunächst reagiert er auf das Ambiente, aber mehr und mehr erklingt das Ambiente wie eine Reaktion auf den Solisten.

In »Das Feld« ist der Text eigens zur Musik entstanden; eine Selbstverbrennung ist dargestellt, ein Streichholz entzündet: ".... und der Mond spielt im funkelnden Glanz des Benzins im Haar. Züngelnde, lodernde Flammen erleuchten sie..., zwei Schuhe im Feld."

»Schleuse« vereint ein Gedicht des irakischen Dichters Khalid AI-Maaly mit der Musik eines Zigeunerensembles; verschiedene Zeitebenen sind durch verschiedene Bandgeschwindigkeiten dargestellt; "Über die Zeitungen herrscht der Tod, Armut des Lügens, der gescheiterte Versuch, das Gesicht ohne Maske zu sehen."

Die Improvisation »Solingen« verbindet »Schleuse« und »Romance Sonámbulo« mit einander, indem sie im Hinblick auf das Voraufgehende an die Geschehnisse vom 29. Mai 1993 in Solingen, und im Hinblick auf das Folgende gerade dadurch an Sterben und Tod, an das »memento mori«, erinnert.

In der »Romance Sonámbulo«, nach Federico Garcia. Lorca, sind Sterben und Tod eines Zigeuners und seiner Geliebten auf dunkle Weise dargestellt.

"Aus den Tiefen schreie ich zu dir, o Herr", so beginnt der Psalm 129 (130): De profundis clamo ad te, domine; aus tiefstem Abgrund wird um Erlösung gefleht.

»Dying on the vine« von John Cale besteht aus 0-Ton, Klängen und Geräuschen von Krieg, Bürgerkrieg, dem Prager Frühling; am Schluß bleiben nur noch Geräusche, Musik ist nicht mehr möglich, das Ende ist dunkel, schwarzgallig: es entläßt in die Melancholie.

Melancholiker, Träumer, Wahnsinnige sind der Realität und dem realistischen Denken entrückt, doch gerade diese Entrückung bietet ihnen die ungeheuerliche Möglichkeit - vielleicht die einzige -, eine Welt wach zu halten und dadurch zu bewahren, die durch das sogenannte »Realistische« aufs Äußerste bedroht ist.
Martin Süsterhenn

Wo geraucht wird laß dich nieder

Seit 1988 bemüht sich das Kölner Label OBST um ein Repertoire der etwas anderen Art: statt Pop, Jazz, zeitgenössische Klassik, Elektronische Musik und, ja, auch kölschen Schlager hübsch säuberlich in Kästchen zu sortieren, mixen die Programmacher die Traditionen und Stile kunterbunt, doch keineswegs wahllos und fordern den Hörer so zu eigenen Grenzgängen heraus. Zu den Höhepunkten im Programm der Firma gehören die Veröffentlichungen von Dietmar Bonnen. Für seine vierte CD hat sich der Maler, Komponist, Sänger und Multiinstrumentalist unter anderem Texte des schwedischen Krimiautors Per WahIöö, des französischen Lyrikers Lautréamont, des irakischen Dichters Khalid Al-Maaly und des spanischen Poeten Federico Garcia Lorca vorgenommen und sie mit variierender Besetzung (männliche und weibliche Gesangsstimmen, Elektronik, Keyboards, Gitarre, Kontrabaß, Saxophon, Akkordeon, Perkussion, etc.) zu einer einzigen neunteiligen Komposition arrangiert. Daß in dem Zyklus auch ein Song von John Cale (»Dying On The Vine«) und die Vertonung eines Bibelpsalms Platz finden (das mittlerweile zu einem Kultstück gewordene »De Profundis« des Esten Arvo Pärt), verwundert nur beim ersten Blick auf die Titelliste. Hat man die CD einmal gehört, stellt man überrascht fest, wie logisch sich die unterschiedlichen Bausteine zusammenfügen, aufeinander ruhen und gegenseitig stützen. Das Fundament bildet der "schwarze Stein", eine Metapher für die Melancholie in der Kunst; die zeiht sich wie ein roter Faden durch das Opus und prägt seine recht düstere Atmosphäre. Kein Album also für Ungeduldige, aber eines, das um so mehr "wächst", je öfter man sich mit ihm beschäftigt. Wenn Bonnen spielt, gehen einem wirklich die Ohren auf.

Albrecht Piltz
Keyboards 3/94

Experimentelle, teilweise düstere Klänge von Dietmar Bonnen und John Cale, dazu gesungene oder gesprochene Texte von Garcia Lorca bis zu Psalm 129: Die CD »Am Schwarzen Stein« von Bonnen bietet wahrlich keine leichte Kost für »normale Musikhörer«. Ein beachtliches Kölner Gesamtwerk, das für Fans von z.B. Dead Can Dance viel Neues zu entdecken bietet.

Prinz 3/94