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John Cage– Into Silence

Into Silence

1 the wonderful widow of eighteen springs 1942 2'38
music: JC text: James Joyce
vocals: Susanne Hille closed piano: Dietmar Bonnen
recording 2000: Gagga Deistler
OBST-cd P 330.13 "you can't judge a record by its cover"


2 in a landscape 1948 12'08
music: JC
piano: Susanne Kessel
recording 2001: lol
3-9 solo with obbligato accompaniment of two voices in canon and six short inventions on the subjects of the solo 1933/34 12'59
music: JC
organ: Dietmar Bonnen
recording 1989: Ernst Gaida-Hartmann
OBST-cd P 330.1 "Bonnen spielt ..."
10 bacchanale 1938 7'54
music: JC
piano: Susanne Kessel
live recording at the festival "Jahr100Klavierstücke" may 24th 2000: Ansgar Ballhorn
11 4'33'' 1952
music: JC
version digital 0 1999: Dietmar Bonnen
12 composition for three voices 1934 2'42
music: JC
organ: Dietmar Bonnen
recording 1989: Ernst Gaida-Hartmann
OBST-cd P 330.1 "Bonnen spielt ..."
13 five 1988 5'00
music: JC
Ensemble FLEISCH
doublebass: Andreas Schilling Saxophone: Axel Peters Guitar: Gagga Deistler minimoog: Ernst Gaida-Hartmann accordion: Dietmar Bonnen
recording 1989: Ernst Gaida-Hartmann
OBST-cd obst 3 "Das Gelbe Album"
14-17the seasons 1947 17'11
music: JC
piano: Susanne Kessel
recording 1995: Ansgar Ballhorn
OBST-cd P 330.7 "regards"
18 souvenir 1983 5'41
music: JC
organ: Dietmar Bonnen
recording 1989: Ernst Gaida-Hartmann
OBST-cd P 330.1 "Bonnen spielt ..."

19 4'33'' 1952
music: JC
version line 1 2002: Michael Rüsenberg
recording 15.4.2002: at 1:12 ; at 5:11; at 9:17 pm
20 sonnekus2 (parts 8 & 9) 1985 2'13
music: JC
vocals: Susanne Hille
recording 1998: Ernst Gaida-Hartmann
OBST-cd SWL 58.1 "sonnekus2"

concept and compilation: Dietmar Bonnen
mastering: Gagga Deistler
Design, usw.: peter-hoelscher@umbra.de

Ins Jahr 2002 fallen der 90. Geburtstag und der 10. Todestag des amerikanischen Komponisten John Cage. Das Label OBST bringt deshalb eine CD heraus, auf der Werke des Komponisten versammelt sind, die seit der Gründung des Labels zu verschiedenen Anlässen veröffentlicht wurden. Die Musiker, die das OBST-Label betreiben, sind im Schnitt 50 Jahre jünger als John Cage; sie bewundern seine Offenheit - auch für die Bildenden Künste und die Literatur - und teilen seinen Begriff von Freiheit. Sein freiestes Stück »4'33''« feiert am 29. August 2002 seinen 50. Geburtstag; es wird auf der CD in zwei unterschiedlichen Versionen präsentiert.

Zu den Stücken:
»the wonderful widow of eighteen springs« entstand 1942 auf einen Text von James Joyce. Die Singstimme soll wie in der Folklore-Musik gerade, ohne Vibrato, intonieren. Der Pianist begleitet durch Klopfen auf dem geschlossenen Klavierdeckel. Die deutsche Erstaufführung sang Carla Henius 1961 bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik.

»in a landscape« entstand 1948 und ist für Klavier oder Harfe spielbar. Hier wird ein begrenztes Tonmaterial, insgesamt nur 7 Töne, allerdings in einem Klangraum von mehr als 5 Oktaven, verwendet. Die Rhythmik folgt angeblich den Bewegungen der Tänzerin Louise Lippold (und nicht umgekehrt)!

»solo with obbligato accompaniment of two voices in canon and six short inventions on the subjects of the solo« - der Titel besagt schon Einiges zur Kompositionstechnik - sowie auch die »composition for three voices« gehören zu den Stücken, mit denen John Cage 1933/34 zu Arnold Schönberg strebte. Sie bieten ausschließlich melodische Verläufe, die in einem Tonumfang von jeweils 2 Oktaven alle 25 Töne aufbieten, ehe ein Ton wiederholt wird. Die Instrumentierung ist beliebig, der Tonumfang jedoch vorgegeben. In der Aufnahme, die Dietmar Bonnen 1989 gemacht hat, werden die drei Stimmen auf drei Orgeln in drei verschiedenen Räumen gespielt, eine Kirchenorgel, eine Hammondorgel und ein Synthesizer klingen zusammen. Diese Aufnahmen beider Kompositionen waren CD-Erstveröffentlichungen.

»bacchanale« ist ein Stück für präpariertes Klavier aus dem Jahre 1938, das erste Stück überhaupt, das für präpariertes Klavier geschrieben wurde. Es benutzt insgesamt nur 12 verschiedene Töne innerhalb von 1 1/2 Oktaven des Baßregisters, die allerdings alle 12 durch Filzstreifen oder Schrauben klanglich verändert - präpariert sind. Die perkussive Rhythmik gibt dem Stück durchaus tänzerischen Charakter. Es ist ja auch der Tänzerin Syvilla Fort zugeeignet.

»4'33''« aus dem Jahre 1952 ist wirklich das denkbar radikalste Stück von John Cage; wir haben es in seiner Biographie schon erwähnt. Die Zeiten der drei Abschnitte differieren übrigens in den verschiedenen Druckausgaben des Stückes: 33" - 2'40" - l'20" bzw. 30" - 2'23" - 1'40". Meistens wird es auf dem Klavier gespielt, aber es wird vom Autor, für jede solistische oder chorische Besetzung möglich angesehen. Auch eine zeitliche Ausdehnung ins Unendliche ist denkbar.
1962 veröffentlicht John Cage eine zweite Version des Stückes mit dem Untertitel »0'00"« als ein "Solo, das auf jede Weise von jedermann aufgeführt werden kann". Diese zweite Version ist als separate CD 1999 ebenfalls bei OBST erschienen.
Michael Rüsenberg hat in seiner Version von »4'33''« John Cages Rat befolgt, die Fenster aufzumachen. Seine Soundscape-Version basiert auf drei Straßenbahnfahrten (Köln, Linie 1 zwischen Clarenbachstift und Melaten). Die erste Schicht (gleich Fahrt) dauert 4 Minuten 33 Sekunden, die zweite setzt bei 0'34'' ein (2.Satz), die dritte bei 3'14'' (3. Satz).

»five« entstand im Januar 1988 und ist dem WDR-Redakteur Dr. Wilfried Brennecke und den von ihm organisierten "Wittener Tagen für Neue Kammermusik", die alljährlich gegen Ende April stattfinden, gewidmet. Das Stück ist für fünf Spieler mit beliebigem Instrumentarium konzipiert. Allerdings ist der Ambitus eines jeden Instruments, weniger als 2 Oktaven, und sind die Tonhöhen genau vorgegeben. Das Spiel soll genau 5 Minuten dauern, der erste Spieler hat 7 Töne, der zweite Spieler 9 Töne in dieser Zeit zu spielen. Auch die Dynamik - vorwiegend piano - ist angegeben, jedoch bleibt die Klangfarbe, die Stimmung, die Klanggestalt offen. 1989 veröffentlichte das Ensemble FLEISCH »five« als CD-Ersteinspielung.

»the seasons« entstand 1947 als Ballettmusik für den Tänzer und Choreographen Merce Cunningham und zwar in zwei Versionen, einmal für Orchester und einmal für Klavier. Jeder Jahreszeit ist ein Satz gewidmet, dem ein kurzes Vorspiel vorangeht. Die Reihenfolge der Sätze ist Winter - gleich Ruhe, Frühling - gleich Erschaffen, Sommer - gleich Bewahren und Herbst -gleich Zerfallen. Der Zyklus schließt mit der Wiederholung des kurzen Vorspiels zum Winter und deutet damit den unendlichen Lauf der Jahreszeiten an.

Das Orgelstück »souvenir«entstand im September 1983 im Auftrag der AMERICAN GUILD OF ORGANISTS. Es verwendet ein begrenztes Tonmaterial von nur 7 Tönen, jede Phrase umfaßt nur 7 oder 5 Tonhöhen. Die Proportionen 5:7:5 hat John Cage wohl dem japanischen Haiku entlehnt.

»sonnekus2« von 1985 ist eine Huldigung des amerikanischen Komponisten Cage an seinen Vorläufer, den französischen Komponisten Erik Satie (1866-1925); es ist nicht die erste Bezugnahme dieser Art, schon in "Cheap Imitation" von 1969 wird auf Saties »Socrate« Bezug genommen.
»Sonnekus2« ist zunächst eine pentatonische Melodie (von g bis c''). Diese Melodie soll auf schlichte, volksliedhafte Weise, ohne Vibrato gesungen werden. Die Interpretin soll beliebig lange Pausen einlegen, in denen sie ihre Garderobe wechseln oder in einem anderen Raum, vom Publikum weiter entfernt, Kabarett-Songs von Erik Satie (mit Begleitung) singen kann. Cages unbegleitet zu singenden Melodien sind Textfragmente aus dem 1. Buch Moses »Genesis« unterlegt, die vom Zufallsprogramm eines Computers ausgewählt wurden. Der theatralische Effekt der Interpretation soll - nur andeutungsweise - zwischen Kirche und Kabarett wechseln. Der Titel »Sonnekus2« bezieht sich auf Saties Stücktitel »Sonneries de la Rose + Croix«.

Manfred Niehaus

In 2002 we celebrate both the 90th birthday and the 10th anniversary of the death of American composer John Cage. Therefore, the Label OBST brings out a CD containing the collected works of the composer it has produced on different occasions since this label was established. The musicians who run the Obst label are on average 50 years younger than John Cage; they admire his openness – also regarding the visual arts and literature – and share his understanding of freedom. His freest piece »4‘33‘‘« turns 50 on the 29th of August, 2002; it is presented in two different versions on the CD.

About the pieces:
»the wonderful widow of eighteen springs« is a 1942 setting of a text by James Joyce. The singing voice should sound straight like in folk music, without vibrato. The pianist accompanies it through tapping on the closed piano lid. Carla Henius sang the German premiere in 1961 at the Darmstadt Summer Courses for New Music.

»in a landscape« was composed in 1948 and is a piece for the piano or for the harp. Here, a limited tonal material, only seven pitches, within a range spanning 5 octaves, is used. Supposedly, the rhythm follows the movements of the dancer Louise Lippold (and not the other way around)!

»solo with obbligato accompaniment of two voices in canon and six short inventions on the subjects of the solo« – the title already reveals something about the compositional technique – as well as »composition for three voices« belong to the pieces with which John Cage tended towards Arnold Schönberg in 1933/34. They offer exclusively melodic passages, which within a 2 octave range offer all 25 pitches before one of them will be repeated. The instrumentation is left to the performers, the range prescribed. In the 1989 recording by Dietmar Bonnen, the three parts are played on three different organs in three different rooms, a church organ, a Hammond organ and a synthesizer are heard at the same time. These recordings of both compositions were the first ones ever to be on a CD.

»bacchanale« is a piece for prepared piano from 1938, the first piece ever written for prepared piano. It uses only 12 different pitches within 1 1/2 octaves of the bass register, which are all altered in their sound – prepared – by strips of felt or screws. The percussive rhythm gives the piece a fully dancelike character. It is also composed for dancer Syvilla Fort.

»4‘33‘‘« from 1952 is truly the most radical piece imaginable by John Cage; as we mentioned in his biography. The times of the three sections vary in different printings of the piece: 33‘‘ – 2‘40‘‘ – 1‘20‘‘ or 30‘‘ – 2‘23‘‘ – 1‘40‘‘. It is usually played on the piano, but the composer intended it for every possible solo or choral combination of performers. An infinite lengthening of time is also imaginable.
In 1962 John Cage published a second version of the piece with the subtitle »0‘00‘‘« as a “solo, which can be performed by anyone in every possible way”. This second version came out in 1999 as a separate CD by OBST.
Michael Rüsenberg has followed John Cage‘s advice in his version of »4‘33‘‘« by opening the windows. His soundscape version is based on three tram rides (Cologne, Line 1 between Clarenbachstift and Melaten). The first layer (or trip) lasts 4‘33‘‘, the second layer is added at 0‘34‘‘ (2nd Movement), the third at 3‘14‘‘ (3rd Movement).

»five« dates from January 1988 and is dedicated to WDR editor Dr. Wilfried Brennecke and the »Wittener Tage für Neue Kammermusik« which he organized, and which take place every year in late April. The piece is for five players with their choice of instruments. In any case, the range of each instrument is less than 2 octaves, and the pitches are given exactly. The piece lasts exactly 5 minutes. The first player has seven pitches, the second 9 to play during this time. The dynamic – mostly piano – is given, although the tonal color, the mood, the sound shape is open. In 1989, the ensemble FLEISCH brought out »five« as the first CD recording of this piece.

»the seasons« appeared in 1947 as ballet music for the dancer and choreographer Merce Cunningham, in two versions, one for orchestra and one for piano. A movement is dedicated to each season, with a short prelude. The order is Winter – meaning quiet, Spring – creation, Summer – preservation, and Autumn – decay. The cycle is completed with the repetition of the short prelude to Winter and indicates thus the unending progress of the seasons.

The organ piece »souvenir« dates from September 1983, commissioned by the AMERICAN GUILD OF ORGANISTS. It uses only 7 pitches, each phrase contains only 7 or 5 pitches. The proportions 5:7:5 are probably borrowed from Japanese haiku.

»sonnekus²« from 1985 is the composer Cage‘s homage to his predecessor, the French composer Erik Satie (1866-1925). It is not the first reference of this kind; already in »cheap imitation« from 1969 there is an allusion to Satie‘s »Socrate«.

»sonnekus²« is first of all a pentatonic melody (from G to C‘‘). This melody should be sung in a simple, folksong-like way, without vibrato. The interpreter should build in long pauses of any length she likes, during which she can change her costume or go into another room where, farther away from the audience, she can sing cabaret songs by Erik Satie (with accompaniment). Cage‘s unaccompanied melodies are settings of text fragments from the first Book of Moses »Genesis«, which have been chosen by the chance program of a computer. The theatrical effect of the interpretation should change from church to cabaret – but only as a suggestion. The title »sonnekus²« is derived from Satie‘s title »Sonneries de la Rose + Croix«.

Manfred Niehaus
Translation: Consuelo Sañudo


Schöne CD des widerspenstigen Labels, und ein ausgesprochen sinnenhafter John Cage: fast fleischlich, wie der Ensemblename andeutet (für den Vegetarier Cage sorgt der Labelname OBST)

Neue Musik Zeitung 11/02
Reinhard Schulz

Er lacht mich an – jeden Tag –
von einem Foto an meiner Pinwand im Büro, mittlerweile hängt es zwischen Kinderbildern und Terminzetteln. Es ist oft mit umgezogen und findet immer wieder seinen Platz. »Der alte Mann und der Schalk« habe ich es getauft: es zeigt John Cage – aufgenommen 1987, zu seinem 75. Geburtstag. Das Lachen steckt an – frech und zärtlich, neugierig und streng, phantasievoll und laut. John Cage liebte die Menschen und die Töne! Damals 1987 hat WDR3 eine Radiohommage gestaltet, 24 Stunden für und mit John Cage. Und jetzt, im Sommer 2002, fallen der 90. Geburtstag und der 10. Todestag des amerikanischen Komponisten zusammen. Anlaß für uns, im Studio Akustische Kunst an den Komponisten zu erinnern, Anlaß aber auch für das kleine CD-Label OBST, eine Cage-Hommage herauszubringen. Sie trägt den Titel »Into Silence« und enthält Werke des Komponisten, die seit der Gründung des Labels zu verschiedenen Anlässen veröffentlicht wurden.

Cage: "There is no day, no hour to waste ..."
"Es ist kein Augenblick zu verlieren – wir sind ein bunter Stamm, daheim ein Chaos. Probleme, die sich uns stellen, sind A wir alle miteinander, BC Luft- und Wasserverschmutzung, DE Ernährung und die Beseitigung des entsprechenden Mülls."

John Cage gilt als einer der ersten, der konsequent das präparierte Klavier verwendete und sagte: "Töne sind nichts als Töne, und wären sie nicht bloße Töne, würden wir bei der nächsten Komposition etwas daran tun. Ich sagte, da Töne Töne sind, gibt das den Menschen, die sie hören, die Möglichkeit, Menschen zu sein, die ihr Zentrum in sich tragen, wie es doch der Fall ist, und nicht künstlich irgendwo in die Ferne versetzt, wie sie es gewohnt sind, die auszuknobeln sich mühen, was da von einem Künstler mit Tönen gesagt wird."

Susanne Kessel ist die Pianistin, die ihr Klavier nach Cage's Vorgaben präpariert hat und es damit zum Perkussions-Instrument macht. »Bacchanale« von 1938: 12 Töne innerhalb von 1½ Oktaven sind durch Filzstreifen oder Schrauben klanglich so verändert, daß die perkussive Rhythmik in den Vordergrund tritt. Kein Wunder, daß das Stück einer Tänzerin gewidmet ist – wie häufig bei Cage.

Interdisziplinär und intermedial arbeitete er in verschiedensten Bereichen der Kunst und Medienkultur – u.a. als Dichter, Maler, Zen-Meister und Pilzforscher. In seine Kompositionen integrierte er Alltagsgeräusche und das Radio als Klangquelle, er arbeitete mit dem Zufall, schuf akustische Kunst und Lautpoesie.

»The wonderful widow of eighteen springs« entstand 1942. Hier die Aufnahme mit Susanne Hille und Dietmar Bonnen. Er begleitete sie durch Klopfen auf dem geschlossenen Klavierdeckel. Diese Begleitung ist sehr differenziert notiert, sowohl der Handsatz, als auch die Klopf-Stelle – Deckel von oben, Spieltisch von unten, Klavier oben drauf.

John Cage gehörte zu den Künstlern der Nachkriegszeit, die die Musik vom überflüssigen Ernst befreite, ohne natürlich auf kognitive Strukturen zu verzichten. Er pflegte eine Art musikalischen Dadismus, erlaubte sich Karikaturen, Persiflagen und Experimente in jede erdenkliche Richtung. Bestimmte instrumentale Besetzungen legte er selten fest; z.B. verlangte er "irgendeine Zahl von Spielern, irgendwelche Klänge oder Klangkombinationen, die durch irgendwelche Mittel hervorgebracht werden mit oder ohne sonstige Tätigkeiten".

Mit der Komposition »Solo with ...« zielte Cage auf seinen Lehrer Arnold Schönberg. Er gestaltete einen melodischen Verlauf über zwei Oktaven und wiederholte erst einen Ton, nachdem alle 24 Töne der 2 Oktaven erklungen sind. Die Instrumente indes sind beliebig! Dietmar Bonnen wählte für die 3 Stimmen 3 Orgeln in verschiedenen Räumen, die er allesamt selbst spielt: Kirchenorgel, Hammondorgel und Synthesizer. Sie klingen in der Aufnahme alle zusammen – übrigens eine Erstveröffentlichung der Komposition im Label OBST, 1989.

Das denkbar radikalste Stück von John Cage ist »4'33''« – notiertes Schweigen in drei Sätzen, die durch Öffnen und Schließen des Klavierdeckels gekennzeichnet sind, 1952 in Woodstock uraufgeführt. Das Ende der "Avantgarde", das Ende des "Fortschritts", weiter kann man nicht gehen – es gibt nichts mehr zu sagen. Oder doch? Auf der Cage-CD des Labels OBST gibt es zwei Versionen des Stückes. Einmal »4'33''« als version digital zero – ohne jedes Rauschen, einfach nur NICHTS – ist schon etwas befremdlich auf einer CD. Umso interessanter der Vergleich mit der Alternative, in der Michael Rüsenberg die Anregung John Cage's aufnimmt und die 4'33'' bei geöffnetem Fenster "präsentiert".Entstanden ist eine Soundscape-Version, in diesem Fall wiederum ein Weiterdreh, indem Michael Rüsenberg eine Straßenbahnfahrt in Köln belauschte.

Cage: "Darüber wegsehen, wegwischen, so was klappt bei uns. Wir stellen Information gegen Information. Nimm als Herausforderung das Projekt Erde: sie wieder jungfräulich zu machen, wie sie war, aber mit Technologie. Quadratur des Kreises."

Die Erde als komponierte Unendlichkeit, das ist in der Ballettmusik »The Seasons« zu erleben. John Cage schrieb sie 1947 für den Tänzer Merce Cunningham, der regelmäßig zu Cage's Musik choreographierte. Ein Zusammenfügen der Künste – Musik folgt Bewegung – Musik induziert Bewegung – Cage hat beides ausprobiert. »The Seasons« spiegelt den unendlichen Lauf der Jahreszeiten in vier Sätzen, denen ein kurzes Vorspiel vorangeht. Winter gleich Ruhe, Frühling gleich Erschaffen, Sommer gleich Bewahren und Herbst gleich Zerfallen. Der Zyklus endet mit dem kurzen Wintervorspiel und führt so den Kreislauf der Jahreszeiten vor Ohren.

Diese CD ist eine sehr persönliche Hommage an John Cage, dessen 90. Geburtstag und 10. Todestag in diesem Sommer zusammenfällt. Die 11 Stücke unter dem CD-Titel »Into Silence« sind zu unterschiedlichen Anlässen veröffentlicht worden und spiegeln natürlich eine sehr spezielle Sichtweise eines jeden Mitwirkenden auf das Werk des Komponisten. Manfred Niehaus, Kölner Musiker und Komponist, hat seinen Zugang im Beiheft der CD ausführlich und anschaulich beschrieben. Damit macht er neugierig darauf, wie Musiker, die im Schnitt 50 Jahre jünger sind als Cage, sein Werk weiterentwickeln und Stellung beziehen.

Corinna Rottschy
WDR 3 »Hörproben« 13.07.2002

It's sobering to think that John Cage, who died in 1992, was born 90 years ago, his earliest composition written in the early 1930s. »into silence« is compiled from John Cage releases on the OBST label, with recordings dating from 1989 to 2002. The tracks fall into two periods: earlier compositions from 1933-52 and those from 1983-88. The »Solo With Obbligato Accompaniment Of Two Voices In Canon And Six Short Inventions On The Subject Of The Solo« (1933), written shortly before he became a Student of Arnold Schoenberg, is scarcely recognisable as Cage. It's performed here by Dietmar Bonnen on three keyboards – church organ, Hammond and synthesizer – in three different rooms. »In A Landscape« (1948) gets a luminous interpretation from Susanne Kessel on piano. Of the two versions of the well known "silent piece" »4'33"« one clearly isn't silent at all – it's a soundscape version whose material originates on three tram rides in Cologne.

The Wire

 

John Cage »into silence«
Auf dem vom Kölner Komponisten Dietmar Bonnen betriebenen Label OBST ist letzten Jahres eine CD zu Ehren von John Cage erschienen »into silence«. Auf dem Sampler, der vor allem neutönerische Interpretationen mit Orgelspiel, Klavier und Stimme bringt, sticht ein Beitrag von Michael Rüsenberg heraus. Er hat Cages »4'33"« so umgesetzt, daß er in Köln mit der Straßenbahn gefahren ist und in entsprechenden Zeiträumen Sounds aufgenommen hat. Er selber war zwar der Fokus des Klangausschnitts aber an sich passiv – konform zu Cages Idee. Eine fantastische Umsetzung!

auf abwegen Nr. 33
magazin für musik und kultur