Home

Charly Kemmerling – En Stemm für d'r Speimanes

En Stemm für d'r Speimanes

2 Op Sand jebaut [3:40]
3 Mie Äutösche, mie Levve [4:04]
4 D‘r Patühm us Neppes [5:54]
5 Vermess‘ [5:34]
6 Ben de Huhstrooß ald off elans flaneet [2:10]
7 Mir han uns Freud jemaht dis Naach om Aldermaat [2:56]
8 Ich ben jewennt an ihr Jeseech [2.08]
9 Randevuh me‘m Ääpche [5:07]
10 Et Schlösselloch [6:21]
11 Em vürije Levve [4:27]
12 Och, wat wor dat fröher schön [4:31]
13 Jeden Ovend, jeden Morje [2:42]


Das Manes-Orchester
Trompete: Martin Wagemann, Antony Platt
Horn: Peter Schnitzler
Posaune: Adreas Deichmann
Tuba: Sebastian Wagemann
Klarinette: Patrick Hagen
Saxophon: Hubert Kiepenkerl, Anton Donnerkiel, Guilielmo Levandowski
Violine: Sonja Wiedebusch, Christoph Gathmann
Viola: Manfred Niehaus
Violoncello: Sue Schlotte
Kontrabass: Heinz Kienitz
Klavier: Wolfgang Schmitt-Weist
Schlagzeug: Tom Gerke

Texte, kölsche Versionen & Solist: Charly Kemmerling
Arrangements & Musikalische Leitung: Wolfgang Schmitt-Weist
Produktion: Manfred Niehaus
Aufnahme: 9. bis 11. November 2001 im "Loft", Köln
Toningenieur: Stefan Deistler
Design etc.: Peter-Hoelscher@umbra.de

 

 

 

 

 

Seit sieben Jahren schreibt der Schauspieler und Puppenspieler Charly Kemmerling Lieder und Texte für seine Type im Kölner Hänneschen-Theater: Den Speimanes. Und damit nicht genug:
"Manes"muss sich auch oft von ihm "führen"lassen. Aber eigentlich verstehen sich die beiden sehr gut. "Manes" sagt häufig, was Charly denkt. Oder sagt Charly, was er denkt, was "Manes"denkt?
Hören Sie selbst …
aber denken Sie nicht soviel dabei.

Lass dich nich so hängen

Die Figur
Wollte man es hochdeutsch ausdrücken, so müsste der Speimanes „Spuckender Hermann“ heissen. Mit seiner feuchten Aussprache, seinem Stottern und seinem Buckel reizt er schon seit zwei Jahrhunderten von seiner äußeren Erscheinung her zum Lachen. Wie er seine kurzen Beinchen schmeißt, wenn er es eilig hat oder vor Verlegenheit sich den Allerwertesten reibt, wie er mit Kindern, Tieren oder Gegenständen gleichermaßen „auf ihrem Niveau“ spricht, wie er seine Schwächen gekonnt überspielt, auch anderer Leute Fehler nicht so ernst nimmt oder diese erst recht laut prustend kommentiert – das sind die Szenen, die ihn zu dem machen, was er im Laufe der Jahre dem Zuschauer geworden ist.
    Um das Jahr 1870 herum wird er „Meister Schnuckel“ gerufen – denn das reimt sich so bequem auf Buckel. „Ohne dass sich die Ausbildung des Typs in den Texten verfolgen lässt, haben sich in ihm eine Reihe körperlicher Gebrechen vereinigt. Er stottert, hat einen ungeheuren Höcker und schielt, wie seine Beinamen „der Pucklige“ oder „Schäle Manes“ und „Speimanes“ anzeigen. In den 1870er Jahren heißt er noch Hermann Lappleder, später auch „Quanzius“, beides mit Verschlusslauten, die explosive Spuckwirkungen ergaben.“ (Niessen, Carl: Das Rheinische Puppenspiel 1928, S. 58)
    „Die körperlichen Gebrechen trägt unser Held nicht nur mit Fassung, (er) hält sie für ein Gütezeichen. (…) Nichts Gehässiges oder gar Niederträchtiges dreht man dem Speimanes aufgrund dieser körperlichen Mängel an. Im Gegenteil. Man schätzt des Manes ausgleichendes, gewitztes Temperamant, seine Lebensklugheit (und) Souveränität kraft körperlicher Untauglichkeit.“ (Schwering, Max-Leo: , Programmheft des Hänneschen-Theaters, 1u.2 1978)
    Im Verlauf des 19. Jahrhunderts bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts war der Manes gar nicht so klein von Statur, wie heute. Zu seiner jetzigen Körperform hat er erst im Laufe der 1930er Jahre gefunden – wie die meisten anderen Typen des Ensembles auch. - Manes hatte vor dem 2. Weltkrieg einen festen Beruf: Er war Bäcker und wurde „Knudel“ gerufen. „Zum einen bedeutet es „Knödel“, auch „klumpiges Brot“ (…), zum anderen (…) „undurchsichtige Verhältnisse“, wie es Professor Wrede sagt“. (…) ( Volberg, Stefan: „Hinger d’r Britz“ 1991, S. 15)

Ein kleiner Tritt für Speimanes, ...

    Eine besonders intensive Prägung erhielt der Speimanes durch den Puppenspieler und Spielleiter (1948 – 1980) Karl Funck, der ihn als Literaten in der „Puppensitzung“ im Karneval etablierte. Bis heute erhalten und berühmt ist sein traditionelles Spiel, das stets ein gutes Ende findet mit dem Ausruf: „Hääärr Pppräsident – die Woosch!“
    Die Entwicklung der Figur wurde immer auch beeinflusst durch den jeweiligen Spieler. Bei Heribert Brands bekam der Manes zwischen 1981 und 1994 melancholische Momente und eine wunderbar tragische Komik. – 1993 verkörperte Manes-Spieler Heribert Brands in einem Weihnachtsstück einmal mit herrlich gebrochener Stimme die alte „Frau Kääzmann“, während Charly Kemmerling als sein Nachfolger hier den Speimanes spielte. Heribert Brands sollte als Frau Kääzmann einen Weihnachtsbaum kaufen. Aus jahrelanger „Manes-Gewohnheit“ verfiel er dabei ins Spucken und Stottern und fragte: „Wwwat sull dat Bbbäumche dann koste?“ – Geistesgegenwärtig stellte Kemmerling als Manes dem prustenden Kollegen, der den Weihnachtsbaumverkäufer spielte, die Frage: „Wwwellt ihr minger Mutter nit bal ens dä Pppries vun däm Bbbäumche sage?“.
    Als bisher letzter Manes-Darsteller hat auch Kemmerling der Figur eine neue Komponente hinzugefügt: Mit wortspielerischem, selbstironischem wie selbstbewusstem Humor singt sich der Manes seit 1995 seine Gefühle von der Seele. Kemmerling hat mit den Manes-Liedern seinen eigenen Stil gefunden; nicht nur in der Interpretation, er schreibt auch die Texte. So, wie er seit seiner „Amtsübernahme“ der Manes-Figur auch die alljährliche Frage von Sitzungspräsident Schäl „Wo es die Woosch?“* mit eigens erdachten und inszenierten Spielszenen beantwortet: Die „Blutwurst“ entlarvte sich in Kemmerlings „Wooschpräsentationen“ beispielsweise als versehentlich mit Helium gefüllte und zum Himmel aufsteigende Ursache für die Sonnenfinsternis von 1999 oder im Jahr 2000 als fetttriefend brennender „Olympischer Ring“ in Sydney. Ein anderes Mal erwies sie sich als die einzig wahre Kölner Dom-Reliquie im Dreikönigenschrein.
     So wird Speimanes’ Charakter auch künftig geprägt sein von den Ideen des Spielers, der ihn „führt“, der ihn als Stockpuppe buchstäblich „bei der Stange hält“.


* Die „Blutwurst“ fungiert bei den Sitzungen der Knollendorfer als preiswerte Auszeichnung für auftretende Karnevalisten. Ein Relikt aus Zeiten, in denen für aufwendige Orden kein Geld da war. Preiswert ist sie aber nicht nur von ihren Bestandteilen her (Blut und Fett), sie wird auch jedem, der sie gerade noch verliehen bekam, an der Saaltüre von Manes wieder aus den Händen oder – wenn es sein muss – auch aus den Zähnen gerissen … damit der nächste Künstler wieder in den vermeintlichen Genuss des nahrhaften Ordens kommen kann. – Soviel zur Geschichte der „Woosch“ oder Kölschen „Flönz“.