Home

Alexej Aigui and Dietmar Bonnen – Up From The Skies

Up From The Skies

1
... and the gods made love 1'10
2
room full of mirrors 3'59
3
all along the watchtower 6'09
4
the wind cries Mary 6'15
5
foxy lady 4'05
6
third stone from the sun 4'30
7
up from the skies 3'17
8
moon, turn the tides ... gently gently away 1'06
9
red house 4'01
10
pali gap 5'22
11
bold as love 7'00
12
little wing 2'51
13
moon, turn the tides ... gently gently away again 1'14
14
drifting 7'57
15
angel 2'05
total time 61'04
all compositions by Jimi Hendrix
except 3 by Bob Dylan
Alexei Aigui: violins
Dietmar Bonnen: vocals, piano, prepared and closed piano
recorded @ loft, Cologne 30th/31th january 2002
recording: Gagga Deistler
mix: Bonnen/Deistler
mastering: Deistler
production: Bonnen
cover concept: Aigui
fotos/cover artwork: Holger Mantey
Alexei Aigui's site: aigui.ifrance.com
contact: aigui@mail.ru
Dietmar Bonnen's site: www.obst-music.com
Contact: bonnen@obst-music.com
Alles hängt ab von der Kette des Badewannenstöpsels

Immer wenn der Pianist und Komponist Dietmar Bonnen Stücke von Jimi Hendrix aufführen möchte, stattet er zuvor seiner Lebensgefährtin einen Besuch ab. Deren Badewannenstöpsel nämlich hängt an einer Kette, die für Bonnens Zwecke bestens geeignet ist: Quer über die Saiten eines Klaviers gelegt, ruft sie beim Anschlagen der Tasten einen Klang hervor, der demjenigen eines Spinetts sehr nahe kommt. Dies wiederum verleiht Hendrix' Komposition "Angel" ein bezaubernd altertümliches Flair, wie die Zuhörer bezeugen können, die sich zur Vorstellung der CD "Up From The Skies" von Bonnen und Geiger Alexei Aigui im Ehrenfelder "Loft" eingefunden hatten.
"Jimi Hendrix wäre in diesem Jahr 60 geworden, deshalb bot es sich an, die CD mit seinen Stücken jetzt zu veröffentlichen", erzählt Dietmar Bonnen. Seine Beschäftigung mit der Musik des wohl größten und einflussreichsten Instrumentalisten der Rockmusik begann exakt am 18. September 1970, dem Todestag des Gitarristen. Damals hatte Bonnen einen älteren Bruder seines Freundes besucht, der die traurige Nachricht bereits aus dem Radio vernommen hatte. "Das ganze Haus war abgedunkelt, es brannten nur ein paar Kerzen", erinnert sich Bonnen an jene sureale Situation, "die ganze Zeit wurden Hendrix-Platten gespielt - und zwar höllisch laut."
Für den damals zwölfjährigen Jungpianisten, der sich bis dahin vor allem an Beethoven und Chopin orientiert hatte, ein Schlüsselerlebnis. Fortan stellten Rock, Jazz und Blues feste Größen in seinem Weltbild dar, auch während des Musikstudiums. Auf seinem eigenen OBST-Label hat er unter anderem bereits zwei CDs mit Cover-Versionen von Frank Zappa-Stücken veröffentlicht. "Das war eigentlich leichter, weil Zappa im Grunde genommen ein klassischer Komponist war", sagt Bonnen. "Hendrix-Stücke dagegen sind nicht auf einer Akkord-Folge aufgebaut, über die dann eine Melodie-Linie gelegt wird, sondern eher auf rhythmischen Strukturen." Genau damit geht das Duo aber sehr spielerisch um, deshalb hat sich Bonnen diesmal auch dafür entschieden, den Gesang beizubehalten. Damit etwas vom Charakter der Stücke erhalten bleibe: "Die Texte sind in ihrer Bildwahl auch immer noch erstaunlich gut."

Hendrix' revolutionäre Leistung beruhe aber vor allem auf dem konsequenten Ausreizen der technischen Möglichkeiten, die die unterschiedlichsten Verzerrer und Effektgeräte sowie ein modernes Aufnahmestudio bieten. Das verlieh seinem ohnehin ungemein intensiven und dynamischen Gitarrenspiel einen einzigartigen Reichtum an klanglichen Facetten. Dietmar Bonnen und Alexei Algui können das auf ihren akustischen Instrumenten natürlich nicht wirklich imitieren: "Das wäre auch Unsinn, weil diese Klänge historisch sind, und sowieso niemand so emotional spielen kann wie Hendrix", meint der russische Geiger.

Immerhin variiert Aigui die Klangbildung seines Instruments nach Kräften, er zupft sägt und kratzt, spielt sanfte einschmeichelnde Linien oder harte Dissonanzen, je nach Bedarf. Bonnen gibt dazu am Piano sehr flexibel gehaltene Tempi und Rhythmen vor, da wird Jazzverwandtes angestimmt oder mal ein russischer Tanz angedeutet. Und in die Coda von "Bold As Love" schmuggelt er Melodiefragmente von Beethovens Neunter. Die Rache der höheren Töchter am Blues.
Weil "Up From The Skies" zwar von OBST vertrieben wird, aber auf dem russischen Avantgarde-Label SoLyd erschienen ist, wird das Duo seine CD im Juni im Rahmen von drei Konzerten in Moskau vorstellen. Da muß die Lebensgefährtin ein paar Tage lang zusehen, daß sie ihren Badewannenstöpsel nicht verlegt.

Hans-Willi Hermans
Kölnische Rundschau

Am 27. November 2002 würde James Marshall Hendrix sechzig, ...
... wäre er nicht am 18. September 1970 – was uns auf vermarktbarere Drogentote abonnierte Rock-Biographen hartnäckig verschweigen – von einer Starkstromsaite vom Leben zum Tode befördert worden (was mußte er die Strat auch mit blanker Zunge spielen!). Im Vorfeld des runden Geburtstags haben sich der russische Violinist Alexei Aigui und der Kölner Komponist, Keyboarder und Pianist Dietmar Bonnen, ein Spezialist für schwieriges Tongut, 14 Hendrix-Kompositionen plus die vom Gitarrenmagier definitiv interpretierte Dylan-Komposition »All Along The Watchtower« vorgenommen und an zwei Abenden (30./31.01.2002) im Kölner »Loft« einer radikalen Neubearbeitung unterzogen. Aber wie soll man Hendrix spielen, wenn einem als "verstärktestes" Instrument ein präpariertes Piano zur Verfügung steht? Nicht anders halt als Bonnen, der erst gar nicht versucht, elektrische Exzesse mit akustischen Mitteln nachzuahmen, sondern sich als der Tastenvirtuose, der er ist, so endlos weit zurücknimmt, daß fast ausschließlich Aigui die Aufgabe zufällt, für Hendrix' solistische Feuerwerke Entsprechungen in der Sprache der modernen "klassischen" Musik zu finden. Nichts anderes nämlich als den überraschend geglückten Versuch, Space-Blues-Classics wie »And The Wind Cries Mary« und »Moon, Turn The Tides ... Gently, Gently Away« ins Kammermusik-Fach umzuheben, dokumentiert dieses Album. Daß Aigui und Bonnen dabei ohne akademischen Ernst ans Werk gehen und sich diverse Späßchen leisten – »Foxy Lady« hätte in ihrer Version taktweise das Zeug zur Paradenummer eines Budapester Kaffeehaus-Geigers –, macht »Up From The Skies« zu einem würdigen Geburtstagsgeschenk für einen Neuerer, wie ihn die Rockmusik (bzw. das, was von ihr übrig ist) im Jahr 2002 mehr denn je nötig hätte.
Albrecht Piltz
KEYBOARDS 8/02
Auf den Komponisten Jimi Hendrix fixiert sind Alexei Aigui und Dietmar Bonnen, die mit Stimme, Piano und Violine unglaubliche Interpretationen des bekannten Materials zaubern. Hier kann man Hendrix' Musik – aus einer eher avantgardistischen, improvisationsbetonten Position heraus – neu entdecken und sich über Bonnens eigenwillig amüsierten Sprechgesang eigenwillig amüsieren. »Up from the skies« ist ein großartiges Album.
Gitarre&Baß 11/2002

 

... Mit dieser CD sitzt und liegt Bonnen wieder einmal außerhalb der gängigen Kategorien unseres Musiklebens. Und das erhöht für mich ganz entschieden den Reiz seiner Musik. Und wenn wir schon über Reize sprechen: Die sonore und manchmal an David Bowie erinnernde Stimme von Bonnen ist auch nicht zu verachten. Unspektakulär und unprätentiös ist sein Gesang – wie die gesamte CD, bei der trotz aller Virtuosität im Detail der Eindruck einer noblen Zurückhaltung vorherrscht. Ganz anders als im Leben von Jimi Hendrix, der sich seinerzeit im Feuer seiner nur vier Jahre dauernden Weltkarriere verzehrte und in dieser kurzen Spanne die Welt der populären Musik ein für allemal veränderte.
In dem Geiger Alexei Aigui, der 1971 in Moskau zur Welt kam, hat Bonnen übrigens einen kongenialen Partner gefunden. In den Songs, die sie gemeinsam veredeln und in kleine Schmuckstücke verwandeln, schwingt sich Aigui immer wieder mit großer Bravour zu bohrender Intensität auf.

Werner Wittersheim
»Hörproben« WDR 16.10.02

Der 27. November 2002 naht. Es ist ein Kreuz mit den Jubiläen. Natürlich soll der 60. Geburtstag des James Marshall alias Jimi Hendrix nicht ungewürdigt vorüberziehen. Doch was wäre da zu spielen und zu sagen, was nicht schon hundertfach veröffentlicht worden wäre?Wie wäre es, wenn man den Rockmusik-Kontext einmal ganz ausblendete? Nichts anderes unternehmen Alexei Aigui und Dietmar Bonnen in ihrem Duo-Projekt »Up From The Skies«. Hendrix als Kammermusik für Violine, Klavier und Stimme – so abwegig das scheint, so reizvoll klingt es in seinem Verfremdungseffekt. Aiguis Violine ist nicht nur E-Gitarren-Surrogat, sondern vervielfältigt sich auch via Studiotechnik zu rhythmischen (und zum Glück nie sirupzähen) Streicher-Texturen. Bonnens Klavier bleibt meist grundierend, sein warmer Bass-Bariton hat mit Hendrix' Stimme nun gar nichts gemein, verströmt aber genau den richtigen Grad an Lakonik, um der psychedelischen Lyrik das allzu Bedeutungsgeladene zu nehmen. Die Musik des James Marshall Hendrix als durch-komponiertes Duo-Programm zwischen Soundexperiment und Klavierlied – manchen Hendrix-Fan wird's grausen, doch darf man's als Beleg nehmen, daß die Musik längst dem Monopol der Imitatoren entronnen ist.

Peter Niklas Wilson
Die Zeit
Sonderbeilage November 2002

Extravagant: Alexej Aigui and Dietmar Bonnen play the Music of Jimi Hendrix; Rock vom Feinsten, metamorphisiert in zündend-subtilen Geigen- und Klavier-Arrangements.

Frankfurter Rundschau 8.1.04

4'33'' in Mockba

Kurt Weill auf der Höhe der Zeit

Sanfte Geigenklänge im Wechsel mit grollenden Klavierakkorden

Zwischen dem Liederzyklus »Frauentanz« und dem Jazz-Standard »Speak Low« liegen nicht nur musikalische Welten. Da hat etwa die »Dreigroschenoper« bequem Platz, und rein geografisch sind die Stücke gar durch einen ganzen Ozean getrennt. Wer über den Komponisten Kurt Weill redet, der 1900 in Dessau geboren wurde und 1935 vor den Nazis in die USA floh, muss in großzügigen Dimensionen denken, Neue Musik ebenso zu schätzen wissen wie gehobene Tanzmusik.

Klar, dass dieses breite Spektrum Avantgarde-Musiker wie den Kölner Pianisten Dietmar Bonnen und den in Paris lebenden russischen Geiger Alexei Aigui zur Auseinandersetzung reizen musste. Schließlich haben sie bereits mit ihren überraschend variantenreichen Duo-Aufnahmen von Stücken Frank Zappas und Jimi Hendrix Aufsehen erregt. „Bei Kurt Weill kann man auch mal so richtig schmalzig werden, das hat uns gefallen“, verrät Bonnen. „Einige Stücke haben wir sozusagen nur als Vorwand für unsere Bearbeitungen genommen, anderes bleibt sehr nahe bei der ursprünglichen Komposition.“

 

 

 

 

Im Ehrenfelder Loft erlebte das Weill-Programm kürzlich seine Premiere. Bonnen und Aigui haben teilweise recht unbekannte Stücke Weills ausgesucht, neben populären Liedern wie  »Und was bekam des Soldaten Weib?« oder »Ballade von der sexuellen Hörigkeit« aus der Dreigroschenoper tauchen da Auszüge aus dem »Frauentanz« auf, der Beerdigungsmarsch »In Potsdam unter den Eichen« oder »My Ship«, eine Zusammenarbeit Weills mit Ira Gershwin. Während einige der Kompositionen – besonders die Stücke, in denen Bonnen singt – relativ intakt bleiben, nutzt das Duo, das zuweilen durch den Klarinettisten Lothar Burghaus ergänzt wird, in anderen jede sich bietende Möglichkeit zur musikalischen Verfremdung. Sanftes Geigen-Gezirp wechselt da abrupt mit grollenden Klavierakkorden, melancholische  Melodien werden durch Aiguis ungemein ausdrucksvolle und mitreißende Soli aufgebrochen. Er fegt über die Saiten, hämmert und kratzt, was das Zeug hält: Weill auf der Höhe der Zeit, für das neue Jahrtausend sozusagen.

Nach der Pause geht’s mit einigen der schon bekannten Interpretationen weiter. »How Could I Be Such A Fool« von Zappa wird hübsch ironisch gebracht, bei seinem »Sofa« oder Hendrix’ »Pali Gap« und »Foxy Lady« wird’s endgültig furios: Aiguis entfesseltes Spiel hat den Geigenbogen längst ruiniert, und dem „Loft“-eigenen Piano darf man nur wünschen, dass es durch Bonnens donnernden Akkorde keine bleibenden Schäden zurückbehält.

 Zum guten Schluss improvisiert er zu Zappas »What Is The Ugliest Part of Your Body?« sogar noch einen deutschen Text: „Was ist der hässlichste Teil deines Körpers?, deine Nase, deine Blase?, oder ist es dein Geist?“  Dann hört er mittendrin auf. Punk irgendwie.

 Hans-Willi Hermans
 Kölnische Rundschau