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OBST Almanach des Jahres 2009

OBST Almanach des Jahres 2009

1 Mord mit Aussicht-Suite
2007 5'06
Musik: Andreas Schilling
Aufnahme/Mix 2007 im »Nagelstudio Gilbachstr. 11«: Schilling
Posaune, Euphonium, Tuba: Achim Fink
Trompete: Ludwig Hegge
Geige: Markus Reinhardt
Kontrabass, Lyra, Gitarren- und Trommelprogramm: Andreas Schilling

2 Laboe, Laboe
1991 3'55
Musik: Dietmar Bonnen
Aufnahme 1991 im db Studio: Manes Werr
Mix: Veeck/Deistler/Bonnen
KÖLNER SAXOPHONMAFIA
Sopraninosaxophon: Roger Hanschel
Altsaxophon: Gerhard Veeck
Tenorsaxophon: Dirk Raulf
Tenorsaxophon: Joachim Ullrich
Basssaxophon: Wollie Kaiser
FLEISCH
Kreissäge/Stuhl: Eckhard Leue
Gitarre: Gagga Deistler
Pappkarton/Piano: Dietmar Bonnen
Autoblech/Rohre: Andreas Schilling

3 Tied To Your Ship
2008 3'06
mit freundlicher Genehmigung von karaoke kalk rec.
Musik: Günther Janssen
Text: Regina Janssen
Gesang: Regina Janssen
alle Instrumente: Günther Janssen

4 Bühnenmusik zu »Das Gebet« von Fernando Arrabal
1959 2’04
Musikcollage: Manfred Niehaus

5 Lifedance
2008 5'07
Musik: Ernst Gaida-Hartmann  unter Verwendung von Samples aus »City-life« und »Japanischer Tanz« von Georg ter Voert
Produktion im »Pulheimer Treff« 2008: Ernst Gaida-Hartmann
Landesspielleutekorps NRW
Leitung: Bernhard Viegener
alle anderen Instrumente: Ernst Gaida-Hartmann 

6 Wish You Were Here
1975 3'16
Musik/Text: David Gilmour/Roger Waters
Arrangement: Dietmar Bonnen
Aufnahme 2008 im »Loft«: Gagga Deistler
Gesang, Piano: Dietmar Bonnen
Chor: LES SAXOSYTHES + TR3PANINI

7 Short Cuts
5'28
Musik: Stefan Hippe
Aufnahme: Matthias Reuland LandesJugendAkkordeonOrchester NRW
Leitung: Helmut Quakernack
Dirigat: Stefan Hippe

8 Manteca
1948 6'13
Musik: Dizzy Gillespie
Arrangement: Wolfgang Breuer
Aufnahme 4.4.2005 live in der »Philharmonie Essen«: Mathias Niepenberg
JugendJazzOrchester
Klarinette: Paquito d’Rivera
Gitarre: Deniz Erarslan
Leitung: Wolfgang Breuer

9 Electric Counterpoint
1987 7'02
Musik: Steve Reich
Arrangement: Christian de Witt
Aufnahme 10.+11.11. 2005 in der Folkwang-Musikschule, Essen: Ralf Chmarowski
JugendZupfOrchester NRW
Solist: Sebastian Leonhardt
Leitung: Christian de Witt

10 Tu vuo' fa l'americano
1955 4'03
Musik: Renato Carosone
Text: Nisa Arrangement: Dett Heidkamp
Aufnahme 26.11.2005 live im »Stollwerk«: Gagga Deistler
Mix: Deistler/Heidkamp
ENSEMBLE CADEAUX
Tenorsaxophon: Dett Heidkamp
Akkordeon: Heinz Alt
Kontrabass: Kay Müller
Schlagzeug: André Philippi
Chor: LES SAXOSYTHES

11 Lisboa Horn Concerto
2003 2'53
Aufnahme Hafen Lissabon: Michael Rüsenberg

12 St. Thomas Choral
2004 5'24
Musik: Pavel Stanek Aufnahme 2005
LandesBlasOrchester NRW
Leitung: Renold Quade

Konzeption und Kompilation: Dietmar Bonnen
Mastering: Gagga Deistler
Design: Peter Hölscher
DDD GEMA c+p OBST 2008
TT: 53'39
Mit freundlicher Unterstützung des Landesmusikrats NRW

Transfer und Kollision

Der Obst-Almanach 2009 präsentiert Musik von professionellen Bands der freien Szene, von exzellenten Ensembles der Laienmusik und von Landesjugendensembles des Landesmusikrats NRW. Der Almanach stellt die Stücke nicht bloß nebeneinander, sondern setzt sie in Beziehungen zueinander und scheut dabei auch keine Kontraste.

Der Kölner Filmmusikkomponist und Kontrabassist Andreas Schilling hat für die Fernsehserie »Mord mit Aussicht« eine aktualisierte Volksmusik geschaffen. Einerseits bleibt sie im Klang-Sujet der volksmusikalischen Blasmusik, andererseits führt sie diese mit witzigen Wendungen und Rückungen in eine gegenwärtige Sprache, die auch Hörer anspricht, die mit Volksmusik eigentlich nichts zu tun haben. Klangzitate von landwirtschaftlichen Maschinen und Tieren sind dabei weniger Persiflage als liebevolle Hommage. Die Kölner Saxophonmafia zieht mit dem Ensemble Fleisch auf eine eigene Art in den Sound des Alltags: Die Geräusche von Autoblechen, Kartons und Kreissägen werden von den Saxophonen aufgegriffen und groovend beantwortet.
Nicht nur mit Umgebungsklängen, auch mit Originalen aus anderen Musikwelten setzen sich Künstler auf diesem Almanach auseinander: Zwei Aufnahmen des Landesspielleutekorps NRW unter Bernd Viegener geraten in die Finger von Ernst Gaida-Hartmann. Der Mönchengladbacher Musiker, Tontechniker und Remix-Künstler unterzieht die Kompositionen »City-life« und »Japanischer Tanz« von Georg ter Voert einem Remix, der das Spielleutekorps für Clubs interessant macht.
Ein Programmteil der Obst-CD stellt Musik von Landesjugendensembles aus NRW vor.  Das Jugendjazzorchester NRW spielt »Manteca«, den Standard von Dizzy Gillespie in einem Bigband-Arrangement von Wolfgang Breuer. Der Off-Beat lässt wohl jeden Fuß mitwippen. Nicht weniger treibend kommt der »Electric Counterpoint« von Steve Reich einher. Das Jugendzupforchester NRW spielt den Klassiker in einem Arrangement von Christian de Witt, und keiner wird bezweifeln, dass Steve Reich sein Werk gleich für diese Besetzung komponiert hätte, wäre ihm klar gewesen, wie plastisch der flirrende Klang von Mandolinen und Gitarren die Klangwogen dieses Werks entstehen lässt. Herbe Tonstrukturen erbaut das Jugendakkordeonorchester NRW in Stefan Hippes »Short Cuts«: Statt Hafenfolklore erleben wir eine urbane Architektur aus Akkordeonklängen.
Dietmar Bonnen, der „Macher“ von „Obst“, widmet sich einem anderen Klassiker, Pink Floyds »Wish You Were Here«. Das vieldeutige Stück arbeitet im Original auf zwei musikalischen Ebenen, für die eine steht eine indirekt aufgenommene E-Gitarre, für die andere eine Akustische Gitarre, die ungeschminkt und direkt erklingt. Bei Dietmar Bonnen erlebt die doppelschichtige Begleitung eine extreme Reduktion auf wenige schlichte Klavierakkorde, die dem Song eine narrative Direktheit geben, in die sich der Kammerchor Les Saxosythes klangmalend einschaltet. Dieser spezialisierte Mitgliedschor des Chorverbands NRW und das Ensemble Cadeaux (mit Heinz Alt am Akkordeon) gestalten auch eine Stilkopie: »Tu vuo’fa l’americano« von 1955 erklingt vinylkratzend im Klanggewand eines Broadway-Klassikers der 1920er.
Ein Zeitsprung in die 1950er Jahre bringt uns einen der frühesten DJs nahe: Der Komponist Manfred Niehaus erschuf 1959 seine Bühnenmusik zu »Das Gebet« von Fernando Arrabal als eine Collage einer Richard-Wagner- und einer Louis-Armstrong-Schallplatte. Collage ist hier zu verstehen als ein gleichzeitiges Abspielen zweier Vinylplatten mit Vor- und Rücksprüngen. Niehaus selbst rückt die Nadeln, und Bernd Alois Zimmermann war damals gerade von dieser Schauspielmusik so beeindruckt, dass er Niehaus in seine Kompositionsklasse an der Kölner Musikhochschule aufnahm.
Schließlich werden zwei Welten zusammengeführt, akustische Kunst und ein Choral aus dem Repertoire der Blasorchester. Michael Rüsenberg, Spezialist für Soundscapes, für die Gestaltung von Klanglandschaften, nahm das Hupkonzert im Hafen von Lissabon auf. Ohne nachträgliche Eingriffe Rüsenbergs klingt dieses zufällige Verkehrskaleidoskop, als hätten die mitwirkenden Lastwagenfahrer ein strukturiertes Werk geschaffen, indem sich verminderte Dreiklänge auftürmen. Dietmar Bonnens Dramaturgie lässt in Rüsenbergs Werk den »St. Thomas Choral« von Pavel Stanek einfallen, erhaben gespielt vom Landesblasorchester des Volksmusikerbunds NRW, geleitet von Renold Quade. Unmerklich bleibt Rüsenbergs »Horn Concerto« darunter stehen und nach der Apotheose verklingt die CD mit Gleis- und Naturgeräuschen.
Kompilation und Produktion der CD wurde vom Ministerpräsidenten des Landes NRW gefördert. Ebenso sind die Landesjugendensembles Förderprojekte des Ministerpräsidenten.

Robert von Zahn
Landesmusikrat NRW

Stadt, Land, Luft

In der Stadt Köln sind das Label OBST und viele der Künstler, die der OBST-Almanach 2009 präsentiert, zuhause. In diesem Jahr machen auf dem Sampler auch einige Landesorchester ganz erstaunlichen Wind.

Das LANDESJUGENDAKKORDEONORCHESTER NRW quetscht »Short Cuts« von Stefan Hippe durchs Register, das LANDESBLASORCHESTER NRW intoniert pompös aber gar nicht umständlich den an Elgar erinnernden »St. Thomas Choral« von Pavel Stannek und der LANDESSPIELLEUTEKORPS flötet artfremd aber effektvoll den japanisch anglobalisierten »Lifedance« von Ernst Gaida-Hartmann.

Den Wind am Ende des Originals setzt Dietmar Bonnen an den Anfang seiner Interpretation des Hits »Wish you were here«, den er am Klavier erzählt. In seiner eigenen Komposition »Laboe, Laboe« bläst die KÖLNER SAXOPHONMAFIA mit einer Baustelle um die Wette und gewinnt.

Gleich zu Anfang schließlich repräsentiert Andreas Schillings Filmmusik die ganze Vielfalt des Almanachs. Sie wird gezupft und geblasen, sie treibt und bluest und die Modulation der eingängigen Melodie reicht vom Sound einer Wiener Zither über den einer Fiedel bis zu dem eines Wild-West-Banjos.

Marcel Jensen