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Bonnen spielt …    ++ausverkauft++

Bonnen spielt ...

Heinz-Dieter Willke
1 Airwaves (1980)

John Cage
2-8
Solo with Obbligato Accompaniment of Two Voices in Canon, and Six Short Inventions on the Subjects of the Solo (1933/34)
Hermann Schroeder
Sechs Orgelchoräle op. 11 Über altdeutsche geistliche Volkslieder (1934)
9 Es flog ein Täublein weiße
10 In dulci jubilo
11 In stiller Nacht
12 Christ ist erstanden
13 Nun bitten wir den heiligen Geist
14 Schönster Herr Jesu
John Cage
15 Composition for Three Voices  (1934)
Paul Hindemith
Sonate III
Für Orgel über alte Volkslieder (1940)
16 Ach Gott, wem soll ich's klagen
17
Wach auf, mein Hort
18 So wünsch ich ihr
György Ligeti
19 Coulée
Etüde Nr.2 für Orgel (1969)
Charles Ives
20 Adeste fidelis (1897)
Michael Lerner
21 Isthmos (1989)
John Cage
22
Souvenir (1983)
Andreas Schilling
23
Großes Termitenballett
Für 3 Orgeln zu 4 Händen (1990)
Ernst Gaida-Hartmann
24
Perpetuumobile (1991)
Max Reger
25
Aus tiefer Not schrei ich zu dir
op. 135a, 4 (1914)

Aufgenommen zwischen September 1989 und Januar 1991

Aufnahme: Ernst Gaida-Hartmann
Abmischung: Ernst Gaida-Hartmann,
Dietmar Bonnen
Außenaufnahmen: Gagga Deistler
Digitaler Schnitt: Ansgar Ballhorn
Heftkonzept: Dietmar Bonnen
Fotos: Uli Grohs, Gertrud Bonnen
Kolorit: Andreas Schilling
Satz und graphische Beratung: Manfred Voigt

Welch ein Zufall, daß Sie jetzt diesen Text lesen! Oder etwa nicht?

Wenn dem potentiellen Käufer einer CD einmal nach Orgel zumute ist – ja dann sucht er nach Namen: Der berühmte Organist A. – neulich stand was im »Spiegel« über ihn – spielt auf der sicherlich tollen Orgel von... (sonst würde er ja darauf nicht spielen wollen) irgendwas von irgendwem.
Der Orgelkenner freilich sucht nach Orgeln: Da ist die Orgel in B. – wir waren im Urlaub dort, haben sie von unten gesehen, leider spielte gerade keiner – , Domorganist C. hat nun eine Platte eingespielt mit diesem tollen Instrument, er spielt irgendwas von irgendwem.
Besonders Unschlüssige oder Neugierige stoßen auf die vorliegende Platte.
Hoffentlich.
Da spielt kein Professor oder Domorganist, sondern ein Musiker aus der bunten Kölner Musikszene, wo Neue Musik und Rock etc. sich so gefährlich nahe kommen können. Er spielt auch nicht auf irgendeiner Orgel – in Köln gibt's viele schöne Orgeln – , sondern auf vielen Orgeln gleichzeitig. Die Studiotechnik mit den Erfahrungen der Popmusik macht's möglich: Der cantus firmus auf der Orgel von St. D., die Baßlinie auf der Orgel von St. E., die Läufe in der linken Hand auf einem DX7 usw. – verschiedene Räume, verschiedene Zeiten, verschiedene Akustiken gleichzeitig.
Wozu das? Um den Stücken, den Gedanken in ihnen, den jeweils – freilich subjektiv so empfundenen – optimalen, adäquaten Klang zu geben.
Bonnen spielt.
Ja, warum nicht!
Er ist kein Glücksspieler. Der Zufall bleibt John Cage überlassen. Ist Verspieltsein etwa unseriös? Sie wollen vorher wissen, was Sie hören werden?
Wie langweilig.
Bonnen spielt. Gegen Konventionen. Gegen Stile. Für die Stücke. Deren Auswahl ist keineswegs so zufällig, wie es aussieht. Es sind Stücke, die Bonnen kennt, die er für wert hält, so aufwendig zu produzieren. Stücke, die eine solche ausgetüftelte, unkonventionelle klangliche Ausprägung verdienen – und dann auch verlangen.
»Ich höre nur Bach, ich esse nur Weißes Fleisch, ich trage nur Baumwollhemden« – die vorliegende Platte postuliert nun das Gegenteil: keine Grenzen, keinen Respekt, aber auch keine Kompromisse. Es lebe die Disziplin der Anarchisten!
Wo spielen diese Stücke eigentlich? Im Freien, in der Kirche? Katholisch oder evangelisch?
Ist das wichtig? In Bonnens Kopf?
In Ihrem Kopf?
Zum Beispiel. Lassen Sie es dort spielen, wenn Sie die Platte spielen (lassen) und mit dieser Platte spielen.
Bonnen spielt nicht mehr allein.

Manfred Niehaus

Dietmar ist kein Hartmann

Bonnen spielt...

Orgelwerke von Willke, Cage, Ligeti, Schroeder, Hindemith, Ives, Lerner, Schilling, Gaida-Hartmann, Reger, Dietmar Bonnen, Orgel
OBST P 330.1 DDD

Nichts ist in der Geschichte derart entauratisiert worden wie die Orgel. Die Königin der Instrumente, akustisches Signal für Herrschaftsansprüche diverser Couleur, ging wohl schon 1891 eines Teils ihrer Wirkungskraft verlustig, als Charles Ives der Orgel seine Variationen über »America« (= God save the King/Queen) anvertraute. Da war der Schritt zum Leierkasten getan, den kein Weihrauch mehr klerikal einfärbte. Selbst seine Version des Weihnachtslieds adeste fideles, auf diesem Recital vorhan-den, weist dem Weg die Richtung und Ligetis zweite Orgeletüde Coulée verdichtete barocke Nähmaschinenmusik zum strikt gewebten Klangteppich. Von Heilsversprechen keine Spur...
Dietmar Bonnen zeigt Stationen dieses Wegs auf, bis hin zu den minimalistischen Airwaves von Heinz-Dieter Willke (1980) oder dem sich selbst aufhebenden Perpetuum mobile von Ernst Gaida-Hartmann (1991). Das alles ist zusammen mit konven-tionellen Versuchen auf dem Instrument wie Hermann Schröders Chorälen op.11 oder Hindemiths Sonate Nr. III insofern speziell entauratisiert, als der Organist kein identifizierbares Instrument an einem fixen Ort spielt. Vielmehr wurde Kölns Kirchenlandschaft über den Synthesizer mit diesem gleichgeschaltet. So klingt Orgelmusik ohne Kirchenraum-Akustik ortsenthoben, aber zeigebunden: 70:33 aufregende Minuten lang.

Ulrich Schreiber
Stereoplay - 10/91

Interpretation   10
Klangqualität   10
Repertoirewer   8

Tonmeister: Ernst Gaida-Hartmann

 

Bonnen spielt ...

Dietmar Bonnen spielt nicht etwa im Sandkasten, sondern ausgewählte Neue-Musik-Stücke zumeist zeitgenössischer Komponisten auf der Orgel. Nicht sakrales Geschwülst, sondern differenzierte, spannende Tonbilder in faszinierender Virtuosität - die Tontechnik macht's möglich, daß mehrere Orgeln auf einmal erklingen. Nicht Werke von Bach (aber eines von Reger), sondern u.a. von John Cage und Paul Hindemith (aber auch von Michael Lerner und Toningenieur Ernst Gaida-Hartmann). Ein spielerisch-packendes Produkt gegen Konventionen!

StadtRevue 10/91

Das Repertoire, das der Organist Dietmar Bonnen für seine CD Bonnen spielt... (Obst) auswählte, erfordert einen hellwachen Kopf. Die Spannweite reicht von Werken ehemaliger Bürgerschreck-Avantgardisten wie John Cage und György Ligeti bis hin zu Paul Hindemith, Max Reger und Chorälen von Hermann Schröder. Eine aufnahmetechnische Delikatesse stellt das 1990 von Andreas Schilling komponierte Große Termitenballett für drei Orgeln zu vier Händen dar.

Winfried Dulisch
Keys

Bonnen mit Songs und Orgelmusik

Er ist schon ein findiger Kopf, der Dietmar Bonnen. Neun Jahre hat er als Organist in Köln-Stammheim Kirchendienst geschoben, seit 1981 mit der Gruppe Fleisch nach »Avantgarde zwischen Rock und Neuer Musik mit ethnologisschem Bezug zum Kölner Raum« gesucht. Malen kann der 34 jährige so versiert wie singen. Und auch wenn viele Songs seiner letzten Duoplatte mixtura solvens mit Ernst Gaida-Hartmann die Patina der achtziger Jahre tragen, muß man seiner Orgelplatte Bonnen spielt...  Respekt zollen (beide beim Kölner Labe OBST).

Neben minimalistisch verschachtelten Stücken seiner Kölner Freunde Gaida-Hartmann, Heinz-Dieter Willke, Michael Lerner und Andreas Schilling vereint Bonnen Orgelstücke des deutschen Traditionalismus (Reger, Hindemith, Schroeder) mit Ives, Ligeti und Cage. Kühner als diese Auswahl ist nur die Zubereitung: der Kirchenorgel werden auf technischem Wege Hammondorgel und Synthesizer zugeschaltet getrennt nach polyphonen Stimmverläufen und musiklischen Ereignissen. Manche Registrierung aus dem Popsampler-Fundus ist freilich weniger mutige Grenzüberschreitung als Geschmackssache. Insgesamt aber taugt Bonnens Experimet, der Orgel das klerikale Image zu nehmen.

Kölner Stadt-Anzeiger 29.7.1992

 

Entdeckerisch
Dietmar Bonnens Orgelexperimente

Geht das gut, Klänge von elektronischen Orgeln mit denen von Kirchenorgeln in Collagen zu mischen? Puristen wird die Aufnahme des Kölner Komponisten und Interpreten Dietmar Bonnen kaum gefallen, denn hier spielen Synthesizer und natürlicher Orgelklang einander brüderlich in die Hände. Solche Experimente fern ausgetretener Orgelwege führen freilich zu überraschenden Hörerlebnissen: Max Regers kleines Choralvorspiel Aus tiefer Not schrei ich zu dir wird elektronisch mit Moog-Klängen verfremdet, ohne daß dabei allerdings die Grundsubstanz der Komposition verändert würde. Hermann Schroeders Orgelchorälen op.11 oder Hindemiths 3. Orgelsonate ergeht es nicht anders.
Das eigentlich Überraschende dieses unkonventionellen Verfahrens liegt im Hörbarmachen der kompositorischen Struktur - die verschiedenen Ebenen der Stücke werden als solche erkennbar. Vor allem zeigt sich, daß auf dieser Ebene die Inventionen von Cage und Hindemiths Sonate so fern nicht voneinander liegen. Orgel und Synthesizer treiben ein dauerndes Wechselspiel miteinander, mal nähern sie sich, entfernen sich, bewegen sich in unterschiedlichen Räumen. Jacques Loussier hat vor Jahren am Beispiel Bachscher Orgelwerke demonstriert, daß Kirchenorgel, elektronische Orgel und Klavier durchaus miteinander kommunizieren können. Dietmar Bonnen geht auf diesem Weg radikal weiter. Daß daraus eine spannende Entdeckungsreise wird, die Ligeti und Ives mit einbezieht, ist das Verdienst des Interpreten – ein seriöses Experiment.

Frankfurter Allgemeine Zeitung 30.6.'92

Bonnen spielt ...

Was spielt Bonnen? Nicht nur, wie auf dem herzigen Foto im CD-Booklet zu sehen, Sandkuchenbacken mit Eimerchen und Schäufelchen, sondern Neue (Orgel-)Musik. Und was, bitteschön, hat eine solche Produktion in diesem Pop-Journal zu suchen? Eine Menge. Denn erstens ist der 33jährige Kölner kein bleicher Vertreter elitärer Neue-Musik-Zirkel, sondern ein vitaler Sproß der anarchischen Musikszene der Domstadt, in der es seit je zum respektlosen Ton gehört, die Grenzen zwischen "E"- und "U"-Musik lustvoll zu überspringen - was nicht zuletzt diese Mixtur aus Kompositionen von Klassikern wie Max Reger, John Cage, Paul Hindemith und Charles Ives und Stücken junger (Kölner und Düsseldorfer) Musiker wie Heinz-Dieter Willke, Michael Lerner, Ernst Gaida-Hartmann und Dietmar Bonnen selbst beweist. Und zweitens sind diese 25 Titel nicht, wie es den hehren Gepflogenheiten des "E"-Bereichs entspricht, auf einer möglichst berühmten Orgel eines möglichst legendären Orgelbauers eingespielt worden, sondern – der Musikprofessor zuckt zusammen! – nach guter Pop-Sitte im Multitrack-Verfahren: hier ein Lauf auf einer Kirchenorgel, dort eine Linie auf dem Synthesizer. Das Ergebnis ist eine Frischzellenkur für verknöcherte Dogmatiker und für vorurteilslose Musik-Gourmets die reine Wonne.

Albrecht Piltz
Keyboards September 1991


Wer lange gräbt, der findet Ruth ...

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