Susanne Hille Sonnekus 2 |
John Cage 216 Cabaret Chansons
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Sonnekus2 von 1985 ist eine Huldigung des amerikanischen Komponisten John Cage (1912-1992) an seinen Vorläufer, den französischen Komponisten Erik Satie (1866 1925); es ist nicht die erste Bezugnahme dieser Art, schon in »Cheap Imitation« von 1969 wird auf Saties »Socrate« Bezug genommen. Sonnekus2 ist zunächst eine pentatonische Melodie (von g bis c''). Diese Melodie soll auf schlichte, volksliedhafte Weise, ohne Vibrato gesungen werden. Die Interpretin soll beliebig lange Pausen einlegen, in denen sie ihre Garderobe wechseln oder in einem anderen Raum, vom Publikum weiter entfernt, Kabarett-Songs von Erik Satie (mit Begleitung) singen kann. Cages unbegleitet zu singenden Melodien sind Textfragmente aus dem 1. Buch Moses »Genesis« unterlegt, die vom Zufallsprogramm eines Computers ausgewählt wurden. Der theatralische Effekt der Interpretation soll nur andeutungsweise- zwischen Kirche und Kabarett wechseln. Der Titel »Sonnekus2« bezieht sich auf Saties Stücktitel »Sonneries de la Rose + Croix«. John Cage`s Anregung folgend sind in die vorliegende Aufnahme von Sonnekus2 die folgenden Chansons von Erik Satie eingeschoben: »Je te veux« (H. Pacory), valse chantée, 1897, »Tendrement« (V. Hyspa), valse chantée, 1902 und »La diva de l`empire« (D. Bonnaud / N. Bles), 1904. Satie war damals Kapellmeister in einem café-concert in Paris. Alle drei Chansons gibt es auch in zeitgenössischen Arrangements für »orchestre de brasserie«, also für Kaffeehausorchester. Die vorliegenden Arrangements besorgte der Kölner Komponist Dietmar Bonnen, in denen er selbst ein zirkusreifes Mini-Akkordeon spielt. Die für Saties Walzer unentbehrliche Baßstimme übernimmt hier ein Bariton-Saxofon. |
Was verbindet John Cage mit Erik Satie, über den man in
Darmstadt, als dort noch der Nabel der musikalischen Moderne angenommen
wurde, kein Wort verloren hat? Erik Satie war doch ein Dilettant, ein komischer
Kauz dazu, dem sein Freund Claude Debussy die Formlosigkeit seiner Machwerke
vor-gehalten hatte, woraufhin dann Satie »Drei Stücke in Form einer Birne« (1902)
geschrieben hat. Bemerkt doch Satie selbst: »Man wird Ihnen sagen, daß ich
kein Musiker sei. Das stimmt.« Ich
erinnere mich noch an das erste Auftreten John Cages bei den »Darmstädter
Ferienkursen« im Sommer 1958. Wir saßen im Speiseraum, es war noch zu früh
zum essen, aber Pousseurs Vorlesung Im gleichen Jahr, 1958, schrieb John Cage im »Art News Annual« über Erik Satie: »Wer interessiert sich heute überhaupt für Satie? Nicht Pierre Boulez:
er hat die zwölf Töne, regiert Le Domaine Musical, während Satie nur die
Groupe des Six hatte und Le Maître d`Arcueil genannt wurde. Noch Stockhausen:
ich kann mir vorstellen, daß er Satie noch keinen Gedanken gönnte... |
Satie scheint an nicht voraussagbaren Stellen immer ab
Null zu springen: 112, 2, 49, kein usw. ... (zitiert in der Übersetzung von Heinz-Klaus Metzger, aus "Musik-Konzepte" Bd. 11) Indem er über Satie redet, beschreibt John Cage natürlich auch sich selbst; das machen alle Komponisten so, wenn sie über andere Komponisten schreiben. Und immerhin bemerkte auch Theodor W. Adorno: »...in den schnöden und
albernen Heute, wo wir sehen, daß die »Moderne« längst am Ende ist - die Tonalitäts-Archisten Ob es nun einen Fortschritt gibt, in der Musik, in der Kunst, überhaupt,
oder nicht, es bleibt mir Manfred Niehaus |
Cage wrote Sonnekus2 in 1985, in homage to Erik Satie. An unadorned pentatonic melody, with Biblical text modified through computer permutation, is delivered by the unaccompanied voice of Soprano Susanne Hille. Interspersed are three rollicking cabaret songs by Satie himself, with Hille abetted by Dietmar Bonnen on accordion. Lothar Burghaus adds baritone sax punctuation, against a backdrop of simulated Montmartre café chatter. The result invokes that curious amalgam in Satie's character of defiant Bohemian and pious mystic. More fun than Cage's earlier tribute Cheap Imitation, even if it lasts less than 19 minutes. The Wire 1/99 |
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