Harte Saiten. "I am just a guitar player
- ..." »Tarantula« |
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Eine Dreifinger-Pickingtechnik, die wieder hörbar ist auf den Bluescoverplatten "As good as been to you" und "World gone wrong". Elektrisch spielt Dylan das von ihm schon zitierte flatpicking, also mit einem flachen Blättchen, einem Plektrum. Aber auch frühe Stücke wie "Ballad of Hollies Brown" von "The Times They Are A-Changing" ist flatpicking, das seinen Drive durch die ständige Wiederholung und den harten Anschlag eines einfachen Riffs bekommt. Und besonders gefiel ihm, zum ersten Mal sein eigenes Material für "Freewheelin" zu spielen. "Klimperte auf der Gitarre herum, einer großen Gibson. Auf der fand ich mich einfach vollendet. Konnte in offener Stimmung spielen." In offener Stimmung spielen, nicht nur literally gemeint, das erprobt Dylan immer wieder. Godard??????? Auch da fühlt sich Godard, der nie ein Drehbuch für ein Filmprojekt hatte, Dylan verwandt: "Das ist wie bei Musikern. Die Haben auch kein Skript. (...) ... nie würde man zu Bob Dylan sagen, wenn er von seiner Plattenfirma Geld wollte: Gut aber bringen Sie mir erst mal ... Do you have a script?" Dylan hat kein Skript. Es ist das beiläufige Training, das ständige Spielen und Singen, auch das Zugehört haben, den alten Bluesmusikern ... Blind Willie McTell ... Hank und nochmals Hank Williams ... Woody Guthrie ... und Immer-Noch-Zuhören, das macht den Sound ... diese leidenschaftliche Identifikation, zu der Dylan immer noch fähig, auch wenn seine Texte was anderes auszudrücken scheinen. Dylan geht immer noch in die heißen Zonen der Empfindung, um seine Texte trocken zu halten. "Wenn ich mich auf etwas einlasse, dann lasse ich mich voll und ganz drauf ein. Ich spiel nicht nur so ein bißchen am Rand herum", sagt er in einem Interview im Blick auf seine religiöse Phase. Voll drauf eingelassen hat er sich im Godard'schen Geist auf ein Film- und Tourprojekt nach seinem Rückzug. Renaldo & Clara und "The Rolling Thunder Revue". Musik und Film sollten in dieser offenen Stimmung zusammenwachsen. Eine Gruppe von Musikern, Schriftstellern und eine Filmcrew zog quer durch Amerika. Auftritte und Filmszenen sollten so spontan wie möglich gestaltet werden. Dylan war Regisseur, Hauptdarsteller und Musiker. Nach den Bedürfnissen der Hauptfigur befragt, antwortet Dylan: "Eine gute Gitarre und eine dunkle Straße." Klar, es ist die Stimme, die Dylans Sound macht, die Gitarre backt, unterstützt, bietet Schutz vor den inneren Dämonen, dem Dionysischen ... die Gitarre ist die Öffnung, wenn der Kopf zu ist ... dann rutscht was in die Finger ... das Haptische hilft die dunkle Reflexion aufzuhellen ... das Spielen besänftigt den Furor der Unruhe ... die Gitarre ist der Rhythmusgeber ... ("mein Gehör ist besser geworden, und meine Melodien sind rhythmischer denn je, aber ich halte mich immer noch an die dieselben drei Akkorde. Aber ich bin ja nicht Segovia oder Montoya. Ich übe keine zwölf Stunden am Tag.") ... die kleine Form ... der Blues ... drei Akkorde ... Dylan spielt fast immer Blues ... die Gitarre als Waffe ... machine gun (Woody Guthrie/Hendrix) ... (Ich habe immer geglaubt, daß ein einzelner Mann, der eine Balladensänger mit seiner Gitarre, eine ganze Armee von der Bühne jagen könnte, wenn er wüßte, was er tut.") ... die Gitarre bricht die Zeit auf ... sie ist eine Kamera, die die Töne wie durch ein Vergrößerungsglas scharf heranzoomt ... sie ist Dylans Metapher für Musik |
... das feedback ... sie ist der Schlüssel zum Paradies ("... das Paradies ist verriegelt und der Cherub hinter uns; wir müssen die Reise um die Welt machen, und sehen, ob es vielleicht von hinten irgendwo wieder offen ist", steht bei Kleist über das Marionettentheater, und wie der Tänzer im Marionettentheater, seine ursprüngliche Naivität durch den Blick in den Spiegel verloren hatte, mußte Dylan nach seinem Unfall lernen, das bewußt zu machen, was er vorher unbewußt produzierte) ... Tryin' to get to heaven, before tey close the door ... Die Gitarre und die unending tour ... die Reise um die ganze Welt machen ... heavy strings, tracks für recording angels, die manchmal antworten, wenn Dylan sie anspielt ... ("Musik zieht die Engel des Universums an", sagt Dylan in einem Interview) ... die Gitarre ist auch Stimme ... die zweite ... Grazie ... Naivität & Dylan just a guitar player: "Ich finde Religiösität und Philosophie in der Musik. Und sonst nirgendwo. ... Ich renne keinen Rabbis, Priestern, Predigern und solchen Leuten hinterher. ... Die Traditionals sind mein Lexikon und mein Gebetbuch. Da hab ich all meine Überzeugungen her ... Ich glaube an einen Gott, der über Raum und Zeit herrscht, aber wenn mich einer danach fragt, lege ich ihm diese alten Lieder ans Herz. Ich glaube an Hank Williams, wie er "I Saw The Light" singt ..." Theo Roos |
Bob Dylan zum 65. GeburtstagDer 65. Geburtstag also – was kann man da wünschen? In seinem Fall doch wohl, dass er heute auf irgendeiner Bühne der Welt stehen möge, dass die Band einen guten Tag hat und er einen Weg in seine Stücke findet. Dass er die Vokale an den richtigen Stellen zerdehnt und zerknautscht, dass er beseelt nuschelt, nölt und heult und dann jene magischen Momente zustande kommen, für die er lebt. Denn für Bob Dylan ist die Bühne „der einzige Ort, an dem ich sein kann“, und Propheten gehen nun mal nicht in den Ruhestand. Aber: Prophet? Da geht’s schon los. Solche Bezeichnungen verbittet sich der Mann gerne, der Anfang der 60er Jahre kaum zwanzigjährig in New York auftauchte und mit einer Gitarre in der Hand und der Stimme eines Greises vor dem „harten Regen“ warnte, vor den „Herren des Krieges“ und überhaupt allen Menschenverächtern, die behaupten, sie hätten Gott auf ihrer Seite. Doch als ihn die Folk-Fraktion als Protestsänger und „Stimme einer Generation“ vereinnahmen wollte, trat Dylan umgehend die Flucht an. Denn er hatte eine ganz andere Vision, und die schloss Stillstand und Festlegung auf einmal gefundene Formen aus. Fortan änderte er zur Verwirrung der Anhänger seinen musikalischen Stil häufig von einer Platte zur nächsten grundlegend. Zunächst, in seiner genialischen Frühphase, wandte er sich Rock und Blues zu, nach 1966 kamen Country und Gospel hinzu, neuerdings auch Jazz. Kaum jemals in Reinform versteht sich. Schlicht Ehrfurcht gebietend, aber die Vielzahl der lyrischen Formen und Redeweisen. Simple oder verrätselte Liebeslieder gehören dazu, Außenseiter-Balladen und surreale Alptraumszenarien, die kühnsten Metaphern trug Dylan im coolsten Straßenslang vor. Wohlgemerkt: In die Gedichtsammlung gehören selbst große Würfe wie »Like a Rolling Stone«, »Visions of Johanna« oder »Blind Willie McTell« nicht. Denn Text und Musik sind hier untrennbar miteinander verbunden, funktionieren nur als Einheit. Weshalb auch der immer mal wieder angedrohte Literaturnobelpreis zu viel der Ehre wäre – und viel zu wenig, ein grandioses Missverständnis nur. In seiner soeben erschienenen „Gesamtinterpretation“ versucht Richard Klein, dieses irritierend vielgestaltige Schaffen wissenschaftlich-akribisch auf 400, mit reichlich Fußnoten bewehrten Seiten auf den Punkt zu bringen. Die Untersuchungen des Adorno-, Heidegger- und Wagner-Spezialisten fügen den Ergebnissen der zahlreichen eher intuitiv verfahrenden Exegeten jedoch nicht viel Neues hinzu. So stellt auch Klein Dylans wahrlich einzigartige Stimme, die alle Ausdrucksmöglichkeiten vom schneidend kühlen Ton auf »The Times They Are-A-Changin’« über den lässig-blasierten Sound in den apokalyptischen Stücken von »Highway 61« bis zum warmen Organ der »Nashville Skyline« kennt, ins Zentrum seiner Analyse. Es ist ja kein Zufall, dass Dylan seine Stimme mindestens ebenso oft und radikal geändert hat wie den musikalischen Stil und die Art seiner Texte. Es ist ein Maskenspiel, bei dem sich hinter den Masken nichts verbirgt. Denn der jüdische Cowboy, geboren als Robert |
Allen Zimmermann und aufgewachsen im Bergarbeiterkaff Hibbing in Minnesota, war insofern stets auf der Höhe des 20. Jahrhunderts, als er dessen grundlegende Skepsis teilte. Ob es sich nun um die Einheit des Individuums handelt, die Möglichkeiten der Kommunikation oder gar um einen verbindlichen Sinnhorizont: Als sicher und für alle Zeiten gültig wird nichts mehr vorausgesetzt, sobald man das Werk als Ganzes sieht. Aber von den Figuren Becketts oder von postmoderner Beliebigkeit trennt ihn, dass er so etwas Altmodisches wie „Wahrheit“ nie verloren gibt, sondern sie sucht, immer wieder und immer wieder in neuen Formen – mal in der Liebe, mal in Religion oder Kunst. Doch was heute zählt, kann morgen wertlos und vergessen sein. Deshalb unterzieht er die Lieder bei seinen Auftritten einer genauen Prüfung, durch teils bis zur Unkenntlichkeit veränderte Arrangements, und vor allem durch eine Stimme, die fast autonom vom Text in jene Tiefen vorzudringen sucht, in denen die Zeit still steht. Diese halsbrecherischen Improvisationen gelingen wahrlich nicht immer, aber es ist letztlich dieses ungebrochene künstlerische Ethos, das Dylan zu einem Mythos hat werden lassen und die quasi-religiöse Verehrung seiner Fans erklärt. Als Prophet eben doch, als einer, der in unseren Wüsten heult wie – in seinen eigenen Worten – „ein Coyote im Stacheldraht“. Richard Klein untermauert diesen Befund durch zahlreiche detaillierte Untersuchungen einzelner Live-Auftritte, die meist nur auf Bootlegs überliefert sind. Als Leser, dem solche Quellen nicht zugänglich sind, muss man ihm glauben, wenn er behauptet, dass die Tourneen zu den – wie Klein gern zugibt – größtenteils komplett missratenen Gospel-Platten um 1980 ihre grandiosen Momente hatten. Auch ist bereits Paul Williams auf demselben Wege zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Die sind bei Williams allerdings nicht so abstrakt und akademisch-trocken formuliert. Dennoch: Für den fortgeschrittenen Bob-Fan mit Steherqualitäten ist das Buch ein Muss. Schon wegen einiger treffender Einzelbeobachtungen. So würdigt Klein den häufig vernachlässigten akustischen Teil der Auftritte im Verlauf der berüchtigten Tournee von 1966 – als Dylan im zweiten, elektrisch verstärkten Teil schon mal als „Judas“ beschimpft wurde – völlig zurecht als künstlerischen Höhepunkt, als ein entrücktes, jenseitiges „Experiment am Rande der Sprache“. Nachzuhören auf der offiziell erschienenen »Bootleg Series Vol. 4«. Klein verdeutlicht anhand der beiden bislang letzten CDs auch, welch überragende Stellung Geschichte und Überlieferung in Dylans Werk haben. Mittlerweile hat sich der Meister offenbar selbst als historische Figur akzeptiert, was die Veröffentlichung seiner autobiographischen »Chronicles« beweist und auch die Mitwirkung an Martin Sorceses Porträt »No Direction Home«. Das ist nicht zuletzt deshalb gelungen, weil sich der Regisseur in annähernd dreieinhalb Stunden in weiser Selbstbeschränkung nur mit den frühen Jahren – bis 1966 – befasst. Ansonsten gilt die Anweisung, die Dylan seiner Band anno ’66 als Reaktion auf die „Judas“-Rufe gab: „Play fuckin’ loud.“ Hans-Willi Hermans |
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