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FLEISCH

FLEISCH wurde 1981 gegründet.

Damals spielten:
Dietmar Bonnen: Tasteninstrumente, Gesang
Michael Lerner: Trompete, Schlagzeug, Gesang
Stefan Süsterhenn: Baß
Axel Peters: Saxophon
Thomas Seda: Gitarre, Gesang
Annette Schröder: Gesang

1982 kam Gagga Deistler, Gitarre (statt Seda)

14_jahre_kinger.jpg (6323 Byte)

1985 formierte sich FLEISCH neu:
Dietmar Bonnen: Tasteninstrumente, Gesang
Axel Peters: Saxophon
Gagga Deistler: Gitarre
Andreas Schilling: Kontrabaß
Ernst Gaida-Hartmann: Tasteninstrumente
Eckhard Leue: Pauken, Perkussion

1989 kam Martin Süsterhenn, Violoncello, dazu.

Fleisch

Seit 1993 spielt FLEISCH in der heutigen Besetzung:
Dietmar Bonnen: Tasteninstrumente, Gesang
Gagga Deistler: Gitarre
Andreas Schilling: Kontrabaß
Martin Süsterhenn: Violoncello
Caroline Thon: Saxophon
Thomas Gerke: Schlagzeug, Perkussion

 

OBST-Diskographie
• FLEISCH: Na ulice doshdik
• FLEISCH: 14 Jahre im Kinderhorst
• FLEISCH: Das Gelbe Album
• FLEISCH: Die 14. Nacht
OBST Almanach des Jahres 2001
OBST Almanach des Jahres 2002
• John Cage: into silence
OBST Almanach des Jahres 2004
Bonnen i.m.J.C.
OBST Almanach des Jahres 2005
OBST Almanach des Jahres 2007
OBST Almanach des Jahres 2009

Ein Avantgarde-Flash oder »Va bene«

Unsere Stadt erobert sich langsam, aber sicher, den irgendwann verlorengegangenen Ruf des Schrittmachers der internationalen Avantgarde zurück. Eine Vielzahl von Festivals, die Eröffnung des Studios für Computermusik im Konservatorium - St. Petersburg hat es geschafft, in diesem Bereich die Hauptstadt Moskau an die Seite zu drängen. Aber erst im Vergleich wird alles deutlich. Die Gruppe FLEISCH, die am vorigen Sonntag auf der Bühne der Jazz-Philharmonie auftrat, hat uns das hohe Niveau ihres Könnens gezeigt. Die Bühne war voll von zahlreichen Musikinstrumenten, in deren Mitte sich die monumentale "Schlagbatterie" befand. Am Anfang bekam man zwar den Eindruck der Zufälligkeit des Geschehens, aber nach genauerer Beobachtung habe ich im Publikum den alten Rockkönig Anatolij Gunitzkij entdeckt und verstanden, daß diese Veranstaltung wirklich verspricht, sehr außergewöhnlich zu werden. Hier fand echte Avantgarde statt, aber ohne das kleinste Anzeichen von längst überdrüssig gewordenem Elitarismus. Ganz verschiedene musikalische Episoden wechselten einander ab: Jazz und Rock'n'Roll, atonale Musik und sogar Schlagereinlagen, und durch die freie Verteilung dieser verschiedenen musikalischen Elemente über den Zeitraum des gesamten Konzertes hinweg klang ab und zu sogar etwas Stockhausen hindurch. Ein anderes Stück, in dem das unveränderliche Motiv immer wieder aus dem Nichts hervorkam und wieder verschwand, erinnerte an die Ästhetik eines John Cage. "Unser Ensemble gibt es seit 1981", erzählt die faszinierende Saxophonistin Caroline Thon. "Im Laufe dieser Zeit haben wir schon vier CDs herausgebracht. Wir haben uns das Ziel gesetzt, besonders Tendenzen der Avantgarde-Musik des 20. Jhd. zu vereinigen. Zu unseren Lieblingskomponisten zählen: Schönberg, David Bowie, Cage, Zappa, Webern und natürlich die BEATLES." Meiner Ansicht nach kann man sich besonders durch den Einfluß der Letztgenannten die Einbeziehung von populären Melodien (wie z.B. das italienische »Va bene«) in die Kompositionen erklären. Zeitweise erklangen sogar latein-amerikanische Rhythmen durch. Von Dietmar Bonnen, der die Tasteninstrumente spielte, und sich im Laufe des Konzertes auch noch als Sänger entpuppte, erfuhren wir, daß der Anteil der Improvisationen in den Arrangements etwa ein Drittel beträgt. Für ein so vielstimmiges Sextett ist das gar nicht wenig. Alle Stücke werden von der Gruppe selbst komponiert. Spätestens nachdem der 2. Teil begonnen hatte, war nur der Gedanke übrig geblieben, daß echte Kunst keine Grenzen kennt.

Stanislaw Woronzowskij
Tschas Pik, St. Petersburg 10/94

King Kong lebt
Zum Glück hat die Stimmung eines bereits stattgefundenen Weltuntergangs noch nicht alle erfaßt. Im Programm von FLEISCH, des Kölner Ensembles für Neue Musik, manifestiert sich nicht die Negation, sondern vielfältig und. ausdrucksstark das Gefühl der Bejahung, der Weiterführung und Wiederverknüpfung der zerrissenen Fäden. Es dominiert der Wunsch, daß die durch die Spalten im Zaun zwischen den einzelnen Genres flimmernden Verbindungsfäden erstarken und nicht erstarren beziehungsweise abreißen. So offenbart sich hier das Kontinuitätsprinzip eines "nicht abreißenden Fadens" entgegen allen Untergangsstimmungen.

Aus diesem Grunde ist zum Beispiel der Postmodernist Frank Zappa, der keinen Weltuntergang gesehen und sich daher auch nicht damit abgequält hat, und sein Album »Uncle Meat« durch die Bande der geistigen Verwandtschaft mit dem Ensemble FLEISCH verbunden. Der große Rocker und seriöse Komponist, der bissige Zyniker und das personifizierte Leiden, der Mystifikator und der Sucher nach Wahrheit in der Einheit vom Erhabenen und Niedrigen war der geistige Vater des Ensembles. Aus diesen Beziehungen resultierte schließlich der wichtigste und am besten gelungene Teil des Programms, nämlich »King Kong« von jener sakramentalen LP »Uncle Meat«. Gewöhnlich hat die Interpretation der fremden Rockmusik außer der abgeleierten Melodie mit dem Original nur noch wenig gemein. In unserem Fall würde sich der geistige Vater über alles freuen: die Exaktheit, die Meisterhaftigkeit, die Plastizität und die unnachahmliche Freiheit von Zappa, die an einen von edler Begeisterung durchdrungenen, bunt bemalten, prallen und auf sich. selbst stolzen Luftballon erinnert, der in den Kosmos, in das Chaos und immer höher steigt.
Außerdem sind hier trotz des verstärkten Klangs weder eine richtige Rockmusik noch Akademismus noch irgendwelche anderen Gattungen feststellbar, die um ihre eigene Urwüchsigkeit ängstlich besorgt sind. Sowohl »King Kong« als auch eigene Schöpfungen von FLEISCH würden an Reichtum verlieren und verblassen, wenn man sie nur durch das Prisma der erkennbaren Prototypen betrachtet.
Nach dem Jazzfestival in Archangelsk reagierte FLEISCH blitzschnell auf die hiesige Vorliebe für Gags und erhöhte im Moskauer Programm den Anteil der postmodernen witzigen Einfälle. Generell hat die eigene Musik des Ensembles, komponiert von Dietmar Bonnen und Andreas Schilling, überwiegend einen etwas düsteren, einsamen und verzaubernden Klang. Sie spielen weniger die Spiele der anderen – auf eine neue Art – nach, sondern vielmehr ihre eigenen. Die zeitgenössischen Genres (die ja unentbehrlich sind) von der Geräuschmusik und Freejazz bis hin zum Neuen Mittelalter und Minimalismus werden nicht ausgehend von nur einer dafür gewählten Musikgattung verarbeitet, sondern kommen alle auf eine sehr natürliche Art zur Geltung.
Eine der vier CDs des Ensembles enthält eine Komposition mit dem Titel »Der 7. Sinn«, die nur aus einigen Noten und Geräuschen vieler Autos besteht. Cage hat einmal gesagt, daß Musik alles sein kann, selbst das Geräusch eines draußen vorbeifahrenden Autos. Dann wird das Spiel (wenn das ein Spiel ist) einfach bis zu einem gewissen Punkt weitergespielt, wo es schon unmöglich ist, das Ganze als einen Scherz zu betrachten. Und wenn die Musik nur in der Interpretation von Saxophon und Wasser erklingt, dann ist es kein Witz, sondern bereits eine akustische Realität, die Musik, und alles ist dabei sehr ernst.
Im Programm der »Kontraste« erklangen sehr anspruchsvoll, wie ein Spiel am Rande des Übergangs in die Realität und zurück, das wunderschöne »Marabu« und »Solovki - Konzertmusik für Violine, Elektronik und Ensemble«, komponiert von Dietmar Bonnen speziell für diese Aufführung und gespielt zusammen mit den Moskauer Avantgardisten Alexei Aigui und Oleg Lipatow. Für Feinschmecker gab es zum Dessert den Walzer »For Evelyn Hinrichsen« des amerikanischen Meisters der Post-Avantgarde Lou Harrison mit Frivolitäten in Form eines Rocksolos am Keyboard.
Das Hauptprinzip, nach dem das Ensemble mit verschiedenen Stilen umgeht, besteht in Exaktheit, Einfühlungsvermögen und Glauben an eine stilistische Einheit. Dann folgt langsam, nach und nach, bis zur absoluten Euphorie die Auflösung der Grenzen. Dort findet man wieder zu. einer neuen Einheit. Und so weiter, die Kontinuität bleibt bestehen, alles andere, was "unter anderem" heißt, wird dadurch widerlegt.

Julia Bederowa
Segodnja 11.10.1994
Aus dem Russischen von Michail Kisseljow

»Contrast« All Meat

The biweekly radio programme »Contrasts« (Radio-1) that has aired the newest sounds in music for more than five years is opening its third concert cycle billed as »Contrasts Live« on Wendesday, October 5, 1994.

This time, »Contrasts Live«, known for such avantgarde extravaganzas as the "Alternativa Festival", which the »Contrasts« anchormen took over from the Glinka Museum two years ago, opens. its season with a peculiar band from Köln called FLEISCH.

Says Wilfried Eckstein of the German Cultural Centre in Moscow who supports the project both spiritually and financially: "Lately the Goethe-Institute provided the "Alternativa Festival" with ENSEMBLE MODERN whose extremely serious concert was a big success. But only a few Russians know that ENSEMBLE MODERN was also involved in the final project of the late Frank Zappa".

The Zappa project, Herr Eckstein mentions, is of course the ballet »Yellow Shark« commissioned from Zappa for the 1992 Frankfurt Fetival. It is no coincidence therefore that the spirit of the late Frank Zappa should inspire one female saxophonist and five guys from Germany with at least a soupcon of his satirical talent.

And after you learn that FLEISCH is German for "flesh" or "meat", the resemblance between Zappa's MOTHERS OF INVENTION and FLEISCH becomes not coincidental at all, since the most influential album of MOTHERS from the late 60s was called - yes, »Uncle Meat«.

But FLEISCH's outrageous satire is deeply. rooted in German tradition as well. Remember Louis Armstrong or Bobby Darin growling "Oh, the shark has pretty teeth, dear"? Or Sting humming relatively recent English lyrics "Oh, the shark has teeth like razors"?

Anyway, everybody knows that it's actually a hit from Bertolt Brecht's and Kurt Weill's »Threepenny Opera« from the late Weimar Republic era. Composer Kurt Weill successfully transplanted 'Weimar' fusion of simplicity and sophistication to Broadway. With FLEISCH, Weill's' sensibility returns (via Zappa) to Germany.

For FLEISCH almost nothing is sacred: these sharks from Köln bite virtually every kind of flesh, be it PINK FLOYD's most dramatic sequences, cool jazz improvisations or spiritual revelations of contemporary neo-romantics and metaphysicians. All of it seems to lapse inexorably into glossy sentiment while the composers Dietmar Bonnen and Andreas Schilling mix together street traffic noise, lush strings, art-rock, electric circuit, weirdly twisted popsongs and beer-drinking sing-alongs.

In Russia the Köln Six is going to feature not just Zappa's hits, but also works by Béla Bartók and Lou Harrison.

Dmitri Uchov
Moscow Tribune 10/94