ach eron – Susanne Hille und Dietmar Bonnen |
ach eron – Susanne Hille und Dietmar Bonnen
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1 Starless (1974) – King Crimson 2’16 |
AcheronNicht nur der griechische Totenfluß mäandert durch die Themen dieses Rezitals und verbindet Rockmusik mit Belcanto, Klassische mit Neuer Musik, barocke Melodien mit Volksweisen; die große akustische Klammer entsteht durch die Verwendung von Spielzeug- und Kleininstrumentarium. So werden Songs der Progressive Rock Band King Crimson und eine Puccini-Arie begleitet auf einer kleinen Casio-Orgel, während Schuberts Leiermann zu den Klängen einer Kalimba erklingt. Und zwischen die Lieder sind kleine Zwischenspiele von Béla Bartók und Manfred Niehaus gesetzt, alle gespielt auf dem Toy Piano und der Casio. Vereinzelte Anmerkungen zu einigen Stücken: Die Sopran-Arie aus »Gianni Schicchi« von Puccini aus dem Jahr 1918 wird von der Tochter der Titelfigur, Lauretta, etwa in der Mitte der Oper gesungen. Lauretta bringt in o mio babbino caro gegenüber ihrem Vater ihre große Liebe zu dem jungen Rinuccio zum Ausdruck, die soweit geht, dass sie sich sogar zum Ertrinken in den Fluss Arno stürzen würde, falls diese Verbindung nicht in Erfüllung gehen sollte. In unserer Fassung wiederholt der Vater diesen vorgetragenen Gedanken weniger fassungslos als kopfschüttelnd. Manfred Niehaus (1933-2013) schrieb 2004 einige Stücke für seinen Enkel Béla, angelehnt an Bartóks für seinen Sohn als Klavierschulung komponierte Miniaturen des Mikrokosmos. Den Zyklus Drei Bilder komponierte Dietmar Bonnen 1994 für Stimme und Spielzeugklavier. Das erste Stück ist die Vertonung eines Gedichtes aus dem Tagebuch (27.2.1951) von Yves Klein, das zweite die eines Textes von Ignaz Knips über das Triptychon »Three Studies For Head Of Isabel Rawsthorne« von Francis Bacon, das dritte die des Gedichtes »Damals« von Bernard Schultze. Winterreise op. 89, D 911 ist ein Liederzyklus, bestehend aus 24 Liedern für Singstimme und Klavier, den Franz Schubert im Herbst 1827, ein Jahr vor seinem Tode, komponierte. Im Ausklang des Zyklus trifft der Wanderer auf den Leiermann, der frierend seine Leier dreht, die „ewige Leier“ als Ausdruck der Qual eines hoffnungslosen, aber immer fortdauernden Lebens, das Wandern im Kreis mit nur einem Ziel: dem Tod. Cézanne peint. Cézanne malt. Magie fließt durch seine Hände und er erhellt die Welt für unsere Augen, die nichts sehen. Er malt das Vibrieren des Lichts, das Singen der Farben, er malt Stille und Geruch. Michel Berger komponierte 1985 dieses Stück für seine Ehefrau France Gall.
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Das Schnitterlied, ein deutsches Volkslied aus dem 17. Jahrhundert, dessen Verfasser unbekannt ist, thematisiert den als Schnitter dargestellten Tod und die Vergänglichkeit der Menschen. Eine sechsstrophige Version wurde in »Des Knaben Wunderhorn« abgedruckt. Wie bei den meisten Volksliedern variiert die Länge des Textes in den verschiedenen überlieferten Fassungen, wobei der Mittelteil mit den Strophen über einzelne Blumen mehr oder weniger umfangreich ausfällt. Eine Fassung aus dem Jahr 1640 hat 80 Strophen. In der hier erklingenden Version singt Frau Hille, summt Frau Hildr (eine Walküre in ihrer ursprünglichen Eigenschaft als Todesengel), summt Herr Bonnen (als Sensenmann) und auch Herr Berg, eine Klangskulptur von Peter Hölscher, ist zu hören. In Randy Newmans Song In Germany Before The War treibt ein Kindermörder sein Unwesen in der Stadt Düsseldorf. Peter Kürten wurde im Juli 1931 nach seinem Geständnis von neun Morden hingerichtet. Der Komponist setzt seine Version ins Jahr 1934 als Metapher für eine Nation in einer Epoche von Übergriffen, Schrecken und Terror – zu diesem Zeitpunkt war Adolf Hitler bereits seit über einem Jahr Kanzler. Streichholzschachtel ist die Vertonung eines Gedichtes des Marokkaners Mohamed Choukri. Choukri musste als Kind miterleben, wie sein Bruder von seinem Vater erschlagen wurde. Die Sommernacht ist eine Klopstock-Vertonung von Christoph Willibald Ritter von Gluck (1714-1787). Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803) heiratete 1754 Margareta (Meta) Mollen. Sie starb 1758 bei einer Totgeburt. Klopstock hat in »Die Sommernacht« die Schönheit der Natur als gemeinsam erfahrenen Wert dem Tod und dem Grab gegenübergestellt. Nach seinem Tod wurde er selbst unter großer Anteilnahme der Bevölkerung neben Meta beigesetzt, wobei eine Ehrenwache von 100 Mann die Überführung des Leichnams von Hamburg nach Ottensen begleitete und mehr als hundert Tonkünstler und weißgekleidete Sängerinnen an der Totenfeier mitwirkten. Klopstock und Gluck, beide am 2. Juli geboren, trafen mehrmals zusammen, um sich über die Vertonungen auszutauschen und der Komponist selbst trug dem Dichter »Die Sommernacht« vor. Das Lied Guter Mond entstand um 1800, Autor und Komponist sind anonym. Neben Bonnens Version von 1998 existieren Fassungen so unterschiedlicher Interpreten wie Nana Mouskouri, Heintje, den Comedian Harmonists und den Bläck Fööss Die heute bekannte Version von Sur le pont d‘Avignon entstand Mitte des 19. Jahrhunderts für eine Oper von Adolphe Adam. Zuvor hieß es „Sous le pont …“ Im südfranzösischen Avignon überspannt die Ruine des Pont Saint-Bénézet einen Teil der Rhône. Mit den Venusfigurinen, einer bildhauerischen Installation des Künstlers Bernhard Kucken, wird auf dem Cover ein lebensbejahender Gegenpol zum Acheron, der durch die Stücke dieser CD zu fließen scheint, gebildet. Das pralle Leben der Venusfigurinen, der paläolithischen Pin-ups, der matriarchalen Statuetten und Fruchtbarkeitsgöttinnen, wird besonders deutlich in den vollbusigen und dickbäuchigen, vielleicht schwangeren Frauen wie der Nana der Niki de Saint Phalle oder der Venus von Willendorf. |