BONNEN Am Schwarzen Stein |
Dikt 5'46 T: Per Wahlöö Edina Soriano: Gesang Vieil Oceán8'35 T: Comte de Lautréamont Antje Späth: Stimme Beim Rönsch10'35 M: Dietmar Bonnen Gerhard Veeck: Saxophone Das Feld4'10 T: Ernst Gaida-Hartmann Edina Soriano: Gesang Schleuse10'13 T: Khalid Al-Maaly Khalid Al-Maaly: Stimme Solingen8'21 M: Dietmar Bonnen Dietmar Bonnen: Gesang, Orgel Romance Sonámbulo9'24 T: Federico Garcia Lorca Consuelo Sanudo: Gesang De Profundis6'08 T: Psalm 129 (130) Achim Rodewald: Gesang Streicherkollektiv der Bruder-Klaus-Siedlung, 51063 Köln Dying On The Vine10'01 T: John Cale/Larry Sloman Dietmar Bonnen: Arrangement, Gesang, Orgel, Elektronik, Ambiente Aufgenommen zwischen Juli '92 und Juni '93 Aufnahme : Ernst Gaida-Hartmann |
Gestaltung und Musik dieser CD sind dunkel, schwarz: schwarzgallig. Die
Musik, neun zu einem Ganzen verbundene Stücke, und ihre Verpackung weisen
in das Dunkel der Melancholie. In »Dikt« erklingt ein Text von Per Wahlöö zur Musik eines Streichquartetts, das nach und nach durch Überlagerungen deformiert wird. »Vieil Océan« stellt die Musik in den Vordergrund; die Worte aus »Les Chants de Maldoror« von Comte de Lautréamont (d.i. Isidor Ducasse, 1847-1870) werden innerhalb einer Sprachfuge wie Musikinstrumente behandelt, die teils bis zur Unverständlichkeit verfremdet, teils wieder verstehbar ertönen. Die Musik erklingt zunächst als Geräusch: verfremdete Klänge der Antarktis - gegen Ende sind Lautréamonts Worte wieder verstehbar: "... aber... Courage! Nehmen wir unsere ganze Kraft zusammen, und vollenden wir mit dem Gefühl der Pflicht unser Schicksal auf Erden. Ich grüße dich, alter Ozean!" »Beim Rönsch« versetzt in die Umgebung der Wäscherei »Rönsch«. Der Kölner Saxaphon-Mafioso Gerhard Veeck spielt die ganze Saxophonfamilie, hat aber jeweils nur einen Ton zur Verfügung. Zunächst reagiert er auf das Ambiente, aber mehr und mehr erklingt das Ambiente wie eine Reaktion auf den Solisten. In »Das Feld« ist der Text eigens zur Musik entstanden; eine Selbstverbrennung ist dargestellt, ein Streichholz entzündet: ".... und der Mond spielt im funkelnden Glanz des Benzins im Haar. Züngelnde, lodernde Flammen erleuchten sie..., zwei Schuhe im Feld." »Schleuse« vereint ein Gedicht des irakischen Dichters Khalid AI-Maaly mit der Musik eines Zigeunerensembles; verschiedene Zeitebenen sind durch verschiedene Bandgeschwindigkeiten dargestellt; "Über die Zeitungen herrscht der Tod, Armut des Lügens, der gescheiterte Versuch, das Gesicht ohne Maske zu sehen." Die Improvisation »Solingen« verbindet »Schleuse« und »Romance Sonámbulo« mit einander, indem sie im Hinblick auf das Voraufgehende an die Geschehnisse vom 29. Mai 1993 in Solingen, und im Hinblick auf das Folgende gerade dadurch an Sterben und Tod, an das »memento mori«, erinnert. In der »Romance Sonámbulo«, nach Federico Garcia. Lorca, sind Sterben und Tod eines Zigeuners und seiner Geliebten auf dunkle Weise dargestellt. "Aus den Tiefen schreie ich zu dir, o Herr", so beginnt der Psalm 129 (130): De profundis clamo ad te, domine; aus tiefstem Abgrund wird um Erlösung gefleht. »Dying on the vine« von John Cale besteht aus 0-Ton, Klängen und Geräuschen von Krieg, Bürgerkrieg, dem Prager Frühling; am Schluß bleiben nur noch Geräusche, Musik ist nicht mehr möglich, das Ende ist dunkel, schwarzgallig: es entläßt in die Melancholie. Melancholiker, Träumer, Wahnsinnige sind der Realität und dem realistischen
Denken entrückt, doch gerade diese Entrückung bietet ihnen die ungeheuerliche
Möglichkeit - vielleicht die einzige -, eine Welt wach zu halten und dadurch
zu bewahren, die durch das sogenannte »Realistische« aufs Äußerste bedroht
ist. |
Seit 1988 bemüht sich das Kölner Label OBST um ein Repertoire der etwas anderen Art: statt Pop, Jazz, zeitgenössische Klassik, Elektronische Musik und, ja, auch kölschen Schlager hübsch säuberlich in Kästchen zu sortieren, mixen die Programmacher die Traditionen und Stile kunterbunt, doch keineswegs wahllos und fordern den Hörer so zu eigenen Grenzgängen heraus. Zu den Höhepunkten im Programm der Firma gehören die Veröffentlichungen von Dietmar Bonnen. Für seine vierte CD hat sich der Maler, Komponist, Sänger und Multiinstrumentalist unter anderem Texte des schwedischen Krimiautors Per WahIöö, des französischen Lyrikers Lautréamont, des irakischen Dichters Khalid Al-Maaly und des spanischen Poeten Federico Garcia Lorca vorgenommen und sie mit variierender Besetzung (männliche und weibliche Gesangsstimmen, Elektronik, Keyboards, Gitarre, Kontrabaß, Saxophon, Akkordeon, Perkussion, etc.) zu einer einzigen neunteiligen Komposition arrangiert. Daß in dem Zyklus auch ein Song von John Cale (»Dying On The Vine«) und die Vertonung eines Bibelpsalms Platz finden (das mittlerweile zu einem Kultstück gewordene »De Profundis« des Esten Arvo Pärt), verwundert nur beim ersten Blick auf die Titelliste. Hat man die CD einmal gehört, stellt man überrascht fest, wie logisch sich die unterschiedlichen Bausteine zusammenfügen, aufeinander ruhen und gegenseitig stützen. Das Fundament bildet der "schwarze Stein", eine Metapher für die Melancholie in der Kunst; die zeiht sich wie ein roter Faden durch das Opus und prägt seine recht düstere Atmosphäre. Kein Album also für Ungeduldige, aber eines, das um so mehr "wächst", je öfter man sich mit ihm beschäftigt. Wenn Bonnen spielt, gehen einem wirklich die Ohren auf. Albrecht Piltz Experimentelle, teilweise düstere Klänge von Dietmar Bonnen und John Cale, dazu gesungene oder gesprochene Texte von Garcia Lorca bis zu Psalm 129: Die CD »Am Schwarzen Stein« von Bonnen bietet wahrlich keine leichte Kost für »normale Musikhörer«. Ein beachtliches Kölner Gesamtwerk, das für Fans von z.B. Dead Can Dance viel Neues zu entdecken bietet. Prinz 3/94 |
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