Manfred Niehaus [ko:] |
3 Texte des Hl. Augustinus 1975 SÜDFUNKCHOR 4 Veni Sancte Spiritus 1955 1'26 COLLEGIUM VOCALE KÖLN 5 Märchen 1974 3'11 KÖLNER KANTOREI 6 Geräusch 1972 2'19 Livemitschnitt 1972 Bergisch Gladbach: Ansgar Ballhorn 7 28. August 1982 2'42 SANDER KIRCHENCHOR 8 Oktober 1849 1988 2'18 Vier jiddische Volkslieder 1987 13 Mutter, warum ist es so kalt 1988 1'11 KÖLNER VOKALISTEN Zwei Chöre aus dem »Norfer Te Deum« 1980 KAMMERCHOR KLEVE 16 Stabat Mater 1994 5'55 KAMMERCHOR ST. ROCHUS 17 Bach, als seine Frau starb 1992 1'07 18 Mozart Goes To Town 1985 1'46 An der Theke 2000 ff. 24 Der Rebbe spricht 1990 2'15 Kammerchor LES SAXOSYTHES 1-15 ADD/16-24 DDD GEMA Pre-Mastering 4–15: Ernst Gaida-Hartmann |
Der Komponist zu seiner Chormusik Die Chorwerke dieser CD datieren ihre Entstehung zwischen 1955 und 2002, dokumentieren also eine Entwicklung von fast 50 Jahren. Auch die Aufnahmen stammen aus verschiedenen Zeiten und verschiedenen Situationen. Neben aktuellen Studioaufnahmen aus den Jahren 2002 und 2003, eigens für diese CD aufgenommen, gibt es eine Studioproduktion des Südfunks, die kurz nach der Uraufführung des betreffenden Stückes entstand, dann aber auch live-Mitschnitte, meist von Stücken, die nur einmal aufgeführt worden sind, die für einen bestimmten Anlaß geschrieben wurden, Aufnahmen, die unter abenteuerlichen Umständen zustande kamen, etwa in der Fußgängerzone einer Stadt, umbrandet vom Autoverkehr. In diesem Falle gehören die Geräusche selbstverständlich mit zur Komposition. Chorgesang ist für den Komponisten kein steriler Wohlklang sondern ein facettenreiches gesellschaftliches Erlebnis. Man hat es ja immer mit vielen und verschiedenen Menschen zu tun. 1971 zogen wir aus der Kölner Innenstadt aufs Land, der kleinen Tochter zuliebe, damit sie im Grünen aufwachsen könne. Das Haus stand in Bergisch Gladbach-Sand, an der Kreuzung nebenan war die Gastwirtschaft, gegenüber die Kirche und die Grundschule. Dahinter und hinter unserem Haus und der Gastwirtschaft waren Wald und Wiesen. Eines Abends, schon bald, standen einige Herren vor unserer Haustür. Einer hatte eine Flasche Schnaps in Geschenkpapier verpackt unterm Arm. Es war der Vorstand des Kirchenchores von Sand. Sie suchten einen neuen Dirigenten, der ihrige war gerade zum Leiter der Musikschule in Kleve bestellt worden. Er hatte ihnen den Tip gegeben, daß hier ein Musiker eingezogen war. Ich hatte während des Studiums u. a. auch Chorleitung probiert, mein Lehrer war kein Geringerer als Hermann Schroeder. Aber bei allen spannenden Momenten, den Generalproben und Aufführungen, saß ich als Geiger oder Bratscher im Orchester. Trotzdem nahm ich die nebenamtliche Stelle an; das Neue reizte mich, die Flasche Schnaps rührte mich. Am 29. Oktober 1971 war meine erste Probe mit dem SANDER KIRCHENCHOR. 28 Jahre habe ich dann den Chor geleitet und 364 Auftritte mit ihm gehabt. Das hat natürlich auch mein Komponieren für Chor nach und nach beeinflußt. 1955 schrieb ich, noch als Autodidakt, »Veni Sancte Spiritus«, zunächst für 5 gleiche Stimmen, weil ich die Knaben des KÖLNER DOMCHORes so bewunderte. Dann hörte ich Luigi Nonos »Canto Sospeso« und bin sehr erschrocken; machte der doch dort genau dasselbe wie ich, teilte den Vokalklang eines Wortes auf mehrere Stimmen auf! Ich habe mein Stück danach lange versteckt; würde mir doch keiner glauben, daß ich unabhängig von Nono darauf gekommen war! So war das in der Zeit, als Neue Musik noch neu sein mußte. Während meines Studiums bei Bernd Alois Zimmermann von 1958 bis 1963 haben wir uns um Chormusik nicht gekümmert. Welcher Chor würde sich damals schon um uns gekümmert haben? Mitte der 70er Jahre erhielt ich den Auftrag, etwas für den SÜDFUNKCHOR zu schreiben. Damals hatten meine Erfahrungen mit dem Kirchenchor noch nicht aufs Schreiben abgefärbt. Dann schon eher Erfahrungen mit dem Opernchor in Kiel, der 1970 unter Lothar Zagroseks Leitung wesentlichen Anteil an der Realisation meiner Oper »Maldoror« hatte. Das »Märchen« von Büchner geriet da schon konventioneller; es wurde ja auch für eine Abendandacht beim Katholikentag 1974 geschrieben und im Fußballstadion von Borussia Mönchengladbach aufgeführt. Meinem Chor in Bergisch Gladbach mutete ich weiterhin abenteuerliche Stimmführungen wie in »Geräusch« von Gertrude Stein zu, und das auch noch im Freien zu singen, in der Fußgängerzone von Bergisch Gladbach. „Womöglich zieht der Hörer die Töne des Alltags jenen vor, die er gerade in einem Musikprogramm hört“, meint John Cage in seinem Aufsatz »Unbestimmtheit«. Hier sind sie, dicht beieinander. Doch allmählich lernte ich auch die akademische Schreibweise für Chor schätzen, sei es als Stilkopie eines fiktiven Goethe-Zeitgenossen für Martin Walsers ironische Goethe-Huldigung 1982 »In Goethes Hand«, sei es als harmonisch immer noch sehr freizügige Polyphonie auf lakonisch kurze Texte von Ludwig Soumagne, Heinrich von Kleist und John Cage. Bei strophischen Liedern habe ich mir vorgenommen, die Harmonik so zu differenzieren, daß sie zum Inhalt jeder Strophe paßt, und daß man bei der vierten Strophe noch nicht ganz dahintergekommen ist (als Hörer, nicht als Sänger). 1998 gab ich aus Altersgründen meinen Chor in Sand an einen Jüngeren ab. Zugleich fand ich in Köln einen neuen Chor, den Kammerchor LES SAXOSYTHES, der sich liebevoll mit meinen Chorstücken abgibt; gelegentlich darf ich auch mal im Tenor aushelfen. Inzwischen wohne ich auch wieder in der Stadt, in Köln, und da gehöre
ich auch hin! Die Tochter ist längst erwachsen und aus dem Hause. Eine
neue Serie Chorstücke entsteht: »An der Theke«. Das ist
Köln, wie ich es erlebe. Die Texte sind keine Literatur sondern Fundstücke,
real existierende Meinungen und Schicksale, die Dialektfärbung gehört
wesentlich dazu. Ich versuche, diese kölnische Realität in musikalischen
Stenogrammen verständlich zu machen. Manfred Niehaus |
Hoher Ernst auch mal auf kölsch Redakteur für Neue Musik und Jazz, Bratschist mit und ohne Noten,
Komponist und Chorleiter – das alles war beziehungsweise ist Manfred
Niehaus. Nach zwanzigjähriger Arbeit für den Westdeutschen Rundfunk
hat sich der 1933 in Köln geborene Musiker in der jüngeren Vergangenheit
verstärkt um eigene künstlerische Ideen gekümmert, rief sich
als gewiefter Jazz-Musiker (oft an der Seite von Dietmar Bonnen), wieder
in Erinnerung. Und eben auch als Autor von Kompositionen überraschend
unterschiedlicher Couleur. Kölnische Rundschau 14.8.03 |
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