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Gazimagusa 54'18
Teil 1: 19'51
Teil 2 Piano: 19'53
Teil 3 Reprise: 10'48
Dietmar Bonnen: Elektronik
Ernst Gaida-Hartmann: Elektronik
Ivan Sokolov: Piano
Elektronik aufgenommen im Studio "Opladener Treff" von Ernst
Gaida-Hartmann am 15./16.12.1999
Piano aufgenommen im "Loft", Köln-Ehrenfeld, von Gagga Deistler
am 20.12.1999
Mix: Bonnen
Mastering: Deistler
Design, usw.: peter-hoelscher@umbra.de
Bonnen-Foto: Gerd Ziemert |
Das Stück entstand am 4.11.1999 auf dem »Othello-Turm« von
Gazimagusa (Famagusta) im türkischen Teil von Zypern. Laut Shakespeare
spielte sich das Drama um Othello, Desdemona und Jago in einer zypriotischen
Hafenstadt ab.
Ich hatte schon lange vor, eine Musik zu konzipieren, bei der ausschließlich
die verschiedenen Arten des Rauschens (rosa, weiß, analog, digital)
verwendet werden; vielleicht durch Wind und Wellen angeregt, stand dieses
Stück plötzlich fertig vor mir.
In einer Klanglandschaft aus sich bewegenden Rauschklängen bildet ein
Textfragment aus Shakespeares Drama (natürlich Othellos Eifersuchts-Monologe)
die Basis, indem es per Vocoder ein Rauschen über einen längeren
Zeitraum moduliert. Der Text, räumlich extrem entfernt, ist dabei nicht
zu verstehen, sondern fungiert nur als Modulationsquelle. Ein Muezzin, der
zum Mittagsgebet rief, lieferte die Idee für eine rauschende Pitchbending-Linie.
Mit Ivan Sokolov hatte ich vor meiner Abreise nach Zypern verschiedene
Möglichkeiten rhythmischer Organisation durch Magische Quadrate diskutiert;
in dieser Komposition wird ein Zahlenquadrat aus Dreiergruppen verwendet
(Othello-Desdemona-Jago).
Mir schwebte von Anfang an eine dreiteilige Form vor, bei der die Teile
2 und 3 remixte Versionen von Teil 1 sein sollten. Durch die Arbeit mit
der mittelalterlichen Zahlenmagie hatte ich jedoch immer wieder Ivan und
seine Art des Klavierspiels im Kopf, und so beschloß ich, daß er
im 2. Teil zur Rauschkomposition eine Klavierimprovisation aufnehmen sollte.
Ivan verwendete in seiner Improvisation eine Spiegelungstechnik, bei der
die Achse zwischen den Tönen E und F der eingestrichenen Oktav verläuft,
die Klaviertastatur also in zwei gleiche Hälften geteilt ist (Othello/Desdemona?).
Bonnen Dezember 1999 |
This piece originated on the 4th of November, 1999, on
the »Othello Tower« of Gazimagusa (Famagusta) in the Turkish
part of Cyprus. According to Shakespeare, the drama of Othello, Desdemona
and Iago took place in a city on the coast of Cyprus.
For a long time I had intended to write a piece where different kinds
of noise (pink, white, analog, digital) could be used; perhaps it was the
wind and the waves: suddenly I had the complete piece.
In a soundscape composed of moving noises, a text fragment out of Shakespeare's
play (the jealousy monologues, of course), provides the basis for the piece,
as it modulates noise over an extended time period through a vocoder. The
text, acoustically distant from the listener, is not comprehensible, but
functions instead as a modulation source. A muezzin calling to midday prayer
gave me the idea for a hissing pitchbending line.
Before travelling to Cyprus I had discussed different possibilities
for rhythmic organization through magic squares with Ivan Sokolov. In this
composition I use a magic square with three rows and columns (Othello, Desdemona,
Iago).
From the start I had a three-part form present, where Parts 2 and 3
were remixed versions of Part 1. While working with Medieval number magic
I always had Ivan and his way of playing in mind, and thus decided that
he should improvise on the piano to the noise composition in Part 2. Ivan
used a mirroring technique in his improvisation, where E and F in the middle
register form the axis which divides the keyboard into two equal halves
(Othello/Desdemona?).
Bonnen December 1999
(Translation: Consuelo Sanñudo) |
Menschen, die bei jedem Museumsbesuch das »Handbuch der modernen Kunst« unterm
Arm tragen, damit sie verstehen, was sie sehen, werden sich wohl zunächst
die Linernotes zu Gemüte führen, die der Kölner Musiker Dietmar Bonnen seiner
neuen CD beigegeben hat, und darüber staunen, wie viel Kopfarbeit und Kunstverstand
in das dreiteilige, durch einen Besuch auf dem »Othello-Turm« von
Famagusta angeregte Werk eingeflossen sind. Der schlichte Schöngeist hingegen
stülpt sich einfach die Headphones über und fragt sich bald, ob er wirklich
wissen muss, dass die verschiedenen Arten des Rauschens mit Hilfe eines
Vocoders von einem Textfragment aus Shakespeares Drama moduliert wurden;
dass für die rhythmische Organisation ein Zahlenquadrat aus Dreiergruppen
verwendet wurde; dass der im Mittelstück zum Zuge kommende Pianist Ivan
Sokolov in seiner Improvisation eine Spiegelungstechnik benutzt hat. Am
Ende erweist sich nämlich, dass man Bonnens Electronical auch ganz naiv
hören kann - als gelungene Fusion aus kosmischer "EM" und experimenteller "E"-Musik.
Albrecht Piltz
KEYBOARDS Juli 2000 |
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