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Manfred Niehaus: Bratsche
Achim Fink: Posaune, Tuba
Andreas Schilling: Kontrabaß
O-Tonaufnahmen Peking Juli 1993:
Dietmar Bonnen
O-Tonmischung:
Dietmar Bonnen und Ernst Gaida-Hartmann
Musikaufnahmen Köln Februar 1994:
Ansgar Ballhorn
Produziert im Auftrag des WDR Köln: Ulrich Kurth
Heftgestaltung: Dietmar Bonnen
Titelbild: Liu
Reproduktion: Uli Grohs
Foto (Bonnen in Beijing): Gerd Ziemert
Satz und grafische Beratung: Manfred Voigt |
Wenn einer eine Reise tut,
kann er was erzählen
Bonnen war in China, in Peking. Er brachte uns ein Tonband mit. Ehe wir
es zu hören bekamen, hatte er es schon geschnitten und gemixt. Vom Flughafen
folgte er einem Stöckelschuh zum Vogelmarkt. Da kommt der mittägliche Regen;
schon sind wir im Trockenen, in der Peking-Oper. Aber nicht lange, da sind
wir in einer Jadeschleiferei. Von da kommen wir in einen Kindergarten usw.
Ein faszinierender, verwirrender, sehr subjektiver Reisebericht.
Drei seiner Freunde lud Bonnen nun ein, im Studio zu diesem Tonband
mit ihren Instrumenten zu spielen. Jeder darf zwei Versionen abliefern.
Nichts Chinesisches, wir waren ja nicht in China. Eben drum. Was fangen
wir an mit dem Fremden, ist es überhaupt fremd?
Wir stimmen uns ein auf das A in der Peking-Oper, dazu paßte dann später
auch das C-Dur im chinesischen Kindergarten. Es waren dann auch noch ein
paar von Bonnen geschriebene Noten im Kontext unterzubringen, z.B. eine
Zwölftonreihe, ganz und gar nicht chinesisch.
Wir spielten nacheinander auf das Tonband, eineinhalb Tage lang. Nun
erst kommt der Moment, wo Bonnen sein autonomes musikalisches Kunstwerk
schafft: er hat zwei Spuren chinesische Toncollage, Musik und Geräusche,
und sechs Spuren europäische musikalische Kommentare. Bonnen hat nun die
letzte Entscheidung, welchen von ihnen und in welcher räumlichen Position
zum O-Ton nehmen. Oder vielleicht gar alle sechs? Wir haben ja auch nicht
immer auf den O-Ton zu, sondern auch mal dagegen gespielt, uns in den Vordergrund
drängen wollen. Bonnen kann das dankend akzeptieren oder weglöschen. |
Dies war wohl der schwierigste Moment im Prozeß des Komponierens, aber
Komponieren heißt nichts anderes als Entscheiden, Ja oder Nein.
Es zeigt sich, daß jene Toncollage aus Peking gar kein Reisebericht war,
sondern eine musikalische Form ist, deren Spannungsbogen etwa eine Stunde
reicht.
April 1994
Manfred Niehaus
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Aus der Spannung zwischen Improvisation und Komposition, zwischen Freiheit
und Konstruktion, zwischen Vorgefundenem und Erdachtem nährt sich eine CD
des Komponisten Dietmar Bonnen. Von einer Chinareise brachte er ein Tonband
mit: vom Flughafen, von Straßen und Plätzen, aus der Pekingoper, von einem
Rockfestival. Zu dem geschnittenen Band ließ er Manfred Niehaus auf der
Bratsche, Achim Fink auf Posaune und Tuba und Andreas Schilling auf dem
Kontrabaß je zwei musikalische Kommentare aufnehmen, die dem vorgegebenen
Material mal sich annähern, mal Widerstand leisten. Bonnen wählte aus diesen
Aufnahmen aus, kombinierte sie noch mit eigenen kompositorischen Fragmenten
und mischte nun ab, was auf der CD zu hören ist. Solche Experimente bekommen
leicht etwas Seelenloses. Ihr Kalkül schwebt stets in der Gefahr, als Konzept
zwar einleuchtend, in der akustischen Realisierung aber wenig überzeugend
zu wirken. Die Eigentlichen Entscheidungen fallen am Mischpult. Anders aber
als beim grassierenden Techno-Schund, liegt hier immerhin zugrunde, was
lebende Musiker zu den Geräuschen lebender Menschen erfanden. Sie steuern
jenen Atem bei, der vor Sterilität bewahrt. Und so entstand jenseits überlieferter
Kategorien wie Jazz, Pop oder E-Musik eine eindrucksvolle Collage.
Frankfurter Rundschau |
Bonnen in Beijing
Wenn "Bonnen spielt", passieren wundersame Dinge: Kompositionstechniken
der "E"-Musik verbinden sich mit "U"-musikalischen Rezepten,
Klassik-Instrumentalisten treffen auf Kollegen aus Jazz und Rock. Aber auch
wenn der Kölner Maler, Tastenmusiker und Komponist nur spielen läßt, darf
man auf Überraschungen gefaßt sein. Als Dietmar Bonnen im Juli 1993 durch
Peking streifte, ließ er ein DAT mitlaufen, um nach seiner Rückkehr aus
dem Reich der Mitte den Bratschisten Manfred Niehaus, den Posaunisten und
Tubaspieler Achim Fink und den Kontrabassisten Andreas Schilling anderthalb
Tage lang gegen die mitgebrachten O-Töne an- oder ihnen, je nach Gusto,
zuspielen zu lassen. Diese aus insgesamt acht Spuren gemixte Collage ist
somit kein "authentischer" Reisebericht, sondern eine Stadtmusik,
deren Spannung aus der Gegenüberstellung zweier Städte wächst, eines erlebten
und eines imaginierten Peking. Eine aufregende Konfrontation.
Albrecht Piltz
Keyboards 12/94 |