Alexej Aigui and Dietmar Bonnen Up From The Skies |
total time 61'04all compositions by Jimi Hendrix
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Alles hängt ab von der Kette des BadewannenstöpselsImmer wenn der Pianist und Komponist Dietmar Bonnen Stücke von Jimi
Hendrix aufführen möchte, stattet er zuvor seiner Lebensgefährtin
einen Besuch ab. Deren Badewannenstöpsel nämlich hängt an
einer Kette, die für Bonnens Zwecke bestens geeignet ist: Quer über
die Saiten eines Klaviers gelegt, ruft sie beim Anschlagen der Tasten einen
Klang hervor, der demjenigen eines Spinetts sehr nahe kommt. Dies wiederum
verleiht Hendrix' Komposition "Angel" ein bezaubernd altertümliches
Flair, wie die Zuhörer bezeugen können, die sich zur Vorstellung
der CD "Up From The Skies" von Bonnen und Geiger Alexei Aigui
im Ehrenfelder "Loft" eingefunden hatten. |
Hendrix' revolutionäre Leistung beruhe aber vor allem auf dem konsequenten Ausreizen der technischen Möglichkeiten, die die unterschiedlichsten Verzerrer und Effektgeräte sowie ein modernes Aufnahmestudio bieten. Das verlieh seinem ohnehin ungemein intensiven und dynamischen Gitarrenspiel einen einzigartigen Reichtum an klanglichen Facetten. Dietmar Bonnen und Alexei Algui können das auf ihren akustischen Instrumenten natürlich nicht wirklich imitieren: "Das wäre auch Unsinn, weil diese Klänge historisch sind, und sowieso niemand so emotional spielen kann wie Hendrix", meint der russische Geiger. Immerhin variiert Aigui die Klangbildung seines Instruments nach Kräften,
er zupft sägt und kratzt, spielt sanfte einschmeichelnde Linien oder
harte Dissonanzen, je nach Bedarf. Bonnen gibt dazu am Piano sehr flexibel
gehaltene Tempi und Rhythmen vor, da wird Jazzverwandtes angestimmt oder
mal ein russischer Tanz angedeutet. Und in die Coda von "Bold As Love" schmuggelt
er Melodiefragmente von Beethovens Neunter. Die Rache der höheren Töchter
am Blues. Hans-Willi Hermans |
Am 27. November 2002 würde
James Marshall Hendrix sechzig, ...
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... Mit dieser CD sitzt und liegt Bonnen wieder einmal
außerhalb der gängigen Kategorien unseres Musiklebens. Und das
erhöht für mich ganz entschieden den Reiz seiner Musik. Und wenn
wir schon über Reize sprechen: Die sonore und manchmal an David Bowie
erinnernde Stimme von Bonnen ist auch nicht zu verachten. Unspektakulär
und unprätentiös ist sein Gesang – wie die gesamte CD, bei
der trotz aller Virtuosität im Detail der Eindruck einer noblen Zurückhaltung
vorherrscht. Ganz anders als im Leben von Jimi Hendrix, der sich seinerzeit
im Feuer seiner nur vier Jahre dauernden Weltkarriere verzehrte und in dieser
kurzen Spanne die Welt der populären Musik ein für allemal veränderte. Werner Wittersheim Der 27. November 2002 naht. Es ist ein Kreuz mit den Jubiläen. Natürlich soll der 60. Geburtstag des James Marshall alias Jimi Hendrix nicht ungewürdigt vorüberziehen. Doch was wäre da zu spielen und zu sagen, was nicht schon hundertfach veröffentlicht worden wäre?Wie wäre es, wenn man den Rockmusik-Kontext einmal ganz ausblendete? Nichts anderes unternehmen Alexei Aigui und Dietmar Bonnen in ihrem Duo-Projekt »Up From The Skies«. Hendrix als Kammermusik für Violine, Klavier und Stimme – so abwegig das scheint, so reizvoll klingt es in seinem Verfremdungseffekt. Aiguis Violine ist nicht nur E-Gitarren-Surrogat, sondern vervielfältigt sich auch via Studiotechnik zu rhythmischen (und zum Glück nie sirupzähen) Streicher-Texturen. Bonnens Klavier bleibt meist grundierend, sein warmer Bass-Bariton hat mit Hendrix' Stimme nun gar nichts gemein, verströmt aber genau den richtigen Grad an Lakonik, um der psychedelischen Lyrik das allzu Bedeutungsgeladene zu nehmen. Die Musik des James Marshall Hendrix als durch-komponiertes Duo-Programm zwischen Soundexperiment und Klavierlied – manchen Hendrix-Fan wird's grausen, doch darf man's als Beleg nehmen, daß die Musik längst dem Monopol der Imitatoren entronnen ist. Peter Niklas Wilson Extravagant: Alexej Aigui and Dietmar Bonnen play the Music of Jimi Hendrix; Rock vom Feinsten, metamorphisiert in zündend-subtilen Geigen- und Klavier-Arrangements. Frankfurter Rundschau 8.1.04 |
Kurt Weill auf der Höhe der Zeit Sanfte Geigenklänge im Wechsel mit grollenden Klavierakkorden Zwischen dem Liederzyklus »Frauentanz« und dem Jazz-Standard »Speak Low« liegen nicht nur musikalische Welten. Da hat etwa die »Dreigroschenoper« bequem Platz, und rein geografisch sind die Stücke gar durch einen ganzen Ozean getrennt. Wer über den Komponisten Kurt Weill redet, der 1900 in Dessau geboren wurde und 1935 vor den Nazis in die USA floh, muss in großzügigen Dimensionen denken, Neue Musik ebenso zu schätzen wissen wie gehobene Tanzmusik. Klar, dass dieses breite Spektrum Avantgarde-Musiker wie den Kölner Pianisten Dietmar Bonnen und den in Paris lebenden russischen Geiger Alexei Aigui zur Auseinandersetzung reizen musste. Schließlich haben sie bereits mit ihren überraschend variantenreichen Duo-Aufnahmen von Stücken Frank Zappas und Jimi Hendrix Aufsehen erregt. „Bei Kurt Weill kann man auch mal so richtig schmalzig werden, das hat uns gefallen“, verrät Bonnen. „Einige Stücke haben wir sozusagen nur als Vorwand für unsere Bearbeitungen genommen, anderes bleibt sehr nahe bei der ursprünglichen Komposition.“
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Im Ehrenfelder Loft erlebte das Weill-Programm kürzlich seine Premiere. Bonnen und Aigui haben teilweise recht unbekannte Stücke Weills ausgesucht, neben populären Liedern wie »Und was bekam des Soldaten Weib?« oder »Ballade von der sexuellen Hörigkeit« aus der Dreigroschenoper tauchen da Auszüge aus dem »Frauentanz« auf, der Beerdigungsmarsch »In Potsdam unter den Eichen« oder »My Ship«, eine Zusammenarbeit Weills mit Ira Gershwin. Während einige der Kompositionen – besonders die Stücke, in denen Bonnen singt – relativ intakt bleiben, nutzt das Duo, das zuweilen durch den Klarinettisten Lothar Burghaus ergänzt wird, in anderen jede sich bietende Möglichkeit zur musikalischen Verfremdung. Sanftes Geigen-Gezirp wechselt da abrupt mit grollenden Klavierakkorden, melancholische Melodien werden durch Aiguis ungemein ausdrucksvolle und mitreißende Soli aufgebrochen. Er fegt über die Saiten, hämmert und kratzt, was das Zeug hält: Weill auf der Höhe der Zeit, für das neue Jahrtausend sozusagen. Nach der Pause geht’s mit einigen der schon bekannten Interpretationen weiter. »How Could I Be Such A Fool« von Zappa wird hübsch ironisch gebracht, bei seinem »Sofa« oder Hendrix’ »Pali Gap« und »Foxy Lady« wird’s endgültig furios: Aiguis entfesseltes Spiel hat den Geigenbogen längst ruiniert, und dem „Loft“-eigenen Piano darf man nur wünschen, dass es durch Bonnens donnernden Akkorde keine bleibenden Schäden zurückbehält. Zum guten Schluss improvisiert er zu Zappas »What Is The Ugliest Part of Your Body?« sogar noch einen deutschen Text: „Was ist der hässlichste Teil deines Körpers?, deine Nase, deine Blase?, oder ist es dein Geist?“ Dann hört er mittendrin auf. Punk irgendwie. Hans-Willi Hermans |
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