Paul Hindemith |
Paul Hindemith (1895-1963) Ein Komponistenleben und die Schwierigkeiten mit dem Dritten Reich Der Komponist und Künstler Paul Hindemith galt in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als treibende Kraft für die Neue Musik und als Bahnbrecher der Moderne. Radikale Frühwerke charakterisierten ihn einerseits als „Bürgerschreck“, andererseits wurde er zum Hoffnungsträger der Avantgarde. Hindemiths künstlerische Ausdrucksleistung zeichnete sich durch einen hohen technischen Anspruch und durch handwerkliches Können aus, sei es im Spielen von Instrumenten oder im gestalterischen Aufbau seiner Kompositionen. Das Musikleben in Deutschland wurde maßgeblich von ihm beeinflusst, indem er als ausübender Künstler, als Organisator von Musikfesten und als Lehrer seine Fähigkeiten weitergab. Mit großer Fertigkeit spielte er Bratsche und Violine und beherrschte viele weitere Instrumente. Hindemith griff Kompositionsprinzipien Johann Sebastian Bachs auf und gilt als Vertreter des Neo-klassizismus. Zu seinem Werk gehören Lieder, Konzerte, Kammermusik, Orchester- und Chorwerke, Opern, Ballette, Sing- und Spielmusik, Filmmusik, Parodiestücke, Bearbeitungen von Werken verschiedener Komponisten und zahlreiche Schriften wie eine theoretische Musiklehre und diverse Aufsätze. Hindemith wurde 1909 Schüler des Hoch’schen Konservatoriums
in Frankfurt am Main, wo er Violine bei Adolf Rebner, Komposition und Kontrapunkt
bei Arnold Ludwig Mendelssohn und Bernhard Sekles studierte. Rebner übertrug
ihm 1914 den Part der zweiten Violine in seinem Streichorchester, später
spielte er dort vermehrt die Bratsche. Von 1915 bis 1923 wirkte er als Konzertmeister
im Orchester der Frankfurter Oper. Bei einem Kompositionsabend im Juni 1919
in Frankfurt präsentierte sich Hindemith zum ersten Male erfolgreich
mit eigenen Werken, die auf großes Interesse beim Publikum und bei
dem Mainzer Verlagshaus „B. Schott’s Söhne“ stießen.
Der Verlag veröffentlichte von nun an seine Werke, und zwischen den
Verlegern und Hindemith entstand eine lebenslange Freundschaft. In den frühen
zwanziger Jahren griff Hindemith Stilmittel der Unterhaltungsmusik in seinen
Werken auf. Er schrieb Ragtimes, Bostons, Foxtrotts und übernahm Besetzung
und Instrumentierung aus dieser Musik in seine Kunstmusik. Dieses Sich-Widersetzen
gegen die bürgerlichen Musikkonventionen und seine drei ersten Operneinakter „Mörder,
Hoffnung der Frauen“ (1919), „Das Nusch-Nuschi“ (1920)
und „Sancta Susanna“ (1921), die mit ihren lasziv-provokanten
Texten nach ihren Uraufführungen zu heftigen Skandalen und Protesten
führten, brachten Hindemith den Ruf des „Bürgerschrecks“ ein. |
Trotz aller Erfolge gab es Gegner der Neuen
Musik, die in ihr eine Bedrohung der Musiktradition sahen und dafür
den Begriff „Kulturbolschewismus“ wählten. Diese Ansichten
fielen nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933
auf fruchtbaren Boden. Jüdische Musiker durften nicht mehr öffentlich
auftreten und über Kompositionen der Neuen Musik wurde ein Aufführungsverbot
verhängt. Auch die Hälfte Hindemiths früherer Werke wurde
als „kulturbolschewistisch“ eingestuft und somit verboten. Seine
Werke verschwanden zunehmend aus den Konzertprogrammen und auch seine Aufführungsmöglichkeiten
sanken. Hindemith erlebte, wie viele seiner Kollegen aus dem Hochschuldienst
entlassen wurden und ins Ausland emigrierten. Auch sein Streichtrio durfte
in Deutschland nicht mehr auftreten. Diese Berufung wurde zum Zeugnis für Hindemiths hohe Stellung im Land, das seinen Höhepunkt mit der Uraufführung der Sinfonie „Mathis der Maler“ durch Wilhelm Furtwängler im März 1934 erreichte. Die Sinfonie traf international mit ihrem Titel und ihrer Musik den Geist der Zeit und weckte Hoffnung auf die Aufführung der 1935 fertig gestellten, gleichnamigen Oper. Da eine Genehmigung der Oper durch die Kulturbeauftragten im Reich wegen Hindemiths früherer Werke herausgezögert wurde, bemühte sich der Dirigent Furtwängler um eine schnelle Klärung der Sache. In einem Zeitungsartikel, der am 25. November 1934 in der „Deutschen Allgemeinen Zeitung“ erschien, versuchte Furtwängler Hindemiths kompositorisches Schaffen zu rechtfertigen und verursachte damit den ersten Kulturskandal im Dritten Reich, als es noch am gleichen Abend lang anhaltende Ovationen für den Dirigenten vor einer Opernaufführung gab. Für Goebbels und Göring, die beide in der Ehrenloge saßen, musste der Beifall als Affront gegen die Partei, die Kulturpolitik und den Staat gesehen werden. Dies führte zu Konsequenzen für Furtwängler und Hindemith. Furtwängler trat nach einer Besprechung mit den damaligen Zuständigen von seinem Amt als Vizepräsident der Reichsmusikkammer und als Leiter der Berliner Philharmonie zurück und Hindemith ließ sich von seinem Amt als Hochschulprofessor auf unbestimmte Zeit beurlauben. Goebbels nutzte im Gegenzug die Öffentlichkeit und verhöhnte Hindemith während einer Rede im Berliner Sportpalast. Gleichzeitig hob er den nationalsozialistischen Totalitätsanspruch in Politik und Kultur hervor. Der „Fall Hindemith“ wurde zum Politikum und entzog dem Komponisten jede weitere musikalische Entwicklungsmöglichkeit. Trotz der vielen Angriffe gab es von verschiedenen Seiten Sympathiebekundungen für Hindemith mit dem Ziel, ihn als Komponisten und Künstler zu rehabilitieren. Hindemith, dem die Wiederzulassung zum Hochschuldienst bis Oktober 1935 verwehrt wurde, trat im Frühjahr 1935 zur ersten von vier Reisen in die Türkei an, um dort das türkische Musikschulwesen nach deutschem Vorbild aufzubauen. Trotz aller Rehabilitationsversuche führte keine Maßnahme zum gewünschten Erfolg, so dass Hindemith für sich nur die Emigration aus Deutschland sah. Er siedelte 1938 nach Bluche in die Schweiz über und vollendete die ersten beiden Bände seiner |
Gunda Jüterbock |
OBST-Diskographie |
|
Als Komponist:
|
|