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Petra Weifenbach — Faden, rot

 

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Mitten im Alltag beginnt die Kunst

Petra Weifenbach präsentiert Stickerei als ein Mittel, die gewohnte Wahrnehmung zu irritieren.

 

Wo beginnt die Kunst? Und wo hört sie auf? Das ist seit Marcel Duchamps berühmter Pissoir-Skulptur eine spannende Frage, die auch nach Dada, Fluxus und Josef Beuys die Menschen beschäftigt. Mitten im Alltag beginnt die Kunst, weiß Petra Weifenbach. Und das heißt für die 1961 im norddeutschen Geesthacht geborene, in Köln lebende Künstlerin: mit Alltagsgegenständen wie Handtüchern, Geschirrtüchern oder Tischdecken. Allerdings reicht es für sie nicht mehr wie Marcel Duchamp bei seinen legendären Ready Mades, die alltäglichen Gebrauchsdinge einfach nur zu zeigen und so zur Kunst zu erklären. Vielmehr besteht Weifenbach auf kleinen, aber zentralen Eingriffen in die gegebenen Objekte. Bei den Arbeiten, die sie derzeit im Kunstraum Obst zeigt, sind das vor allem sorgfältige Stickereien, mit denen sie bestehende Stoffe ebenso selbstverständlich wie irritierend akzentuiert.

/// Petra Weifenbach

So hat Weifenbach zum Beispiel in ein Handtuch mit rosa Fäden alle berühmten Künstlernamen hineingestickt, die mit dem Buchstaben 'R' beginnen: Ray, Rinke, Rodin, Runge, Renoir, Rothko Richter, Rückriem oder Rodschenko. Entsteht zunächst der Eindruck, dass besonders viele bekannte Künstlernamen mit dem Buchstaben 'R' beginnen, fällt dem Betrachter plötzlich auf, dass der allerbekannteste R-Künstler überhaupt, Rembrandt, fehlt. Er fehlt, um als Titel des Kunstwerkes das Fragen in Gang zu setzen und zugleich in seiner Bedeutung erst richtig gewürdigt zu werden.

In einer anderen Arbeit hat Weifenbach Trockentücher mit fiktiven Monogrammen bestickt, die uns nicht daran hindern, in den Winkeln unseres Gedächtnisses nach dazugehörigen Namen zu suchen. Unzählige Assoziation entstehen, nichts ist sicher. Genau dieses Spiel zwischen dem Wirklichen und dem Möglichen ist Weifenbachs Thema, das sie gewitzt und hintergründig zugleich in Szene setzt. Damit passt sie perfekt in das Programm des Kunstraumes OBST, in dem Betreiber Dietmar Bonnen, selbst Musiker und bildender Künstler, bevorzugt Kunstwerke im Spannungsfeld von Wahrnehmungsirritation und Übergangserfahrungen präsentiert. Ein mit kleinen Goldsternbestickungen veredeltes Stück Toilettenpapier von Weifenbach macht sichtbar, wie dicht Absurdität und existentielle „Wahrheiten“ beieinander liegen. Und eine schlichte Fadenzeichnung von ihr zeigt, dass der berühmte rote Faden nicht immer geradlinig, sondern allzu oft „Zickzack verläuft“. Hatte Marcel Duchamp seine Kunstobjekte aus dem Alltag herausgeholt, um vor allem den bestehenden Werte- und Wahrnehmungsrahmen der Kunst zu verunsichern und zu erweitern, lenkt Weifenbach mit ihren künstlerisch zugespitzten Alltagsdingen den Blick auf den Alltag selbst. Der Alltag als der Bereich, in dem es grundsätzlich um alles geht: Sinn und Unsinn, Leben und Tod, die unstillbare Spannung von Sehnsucht und Notwendigkeit, Traum und Wirklichkeit.

Kölner Stadtanzeiger
Jürgen Kisters

 





 

Schön, wenn man im Leben einen roten Faden hat, so ein roter Faden macht den Unterschied: Die Künstlerin Petra Weifenbach zum Beispiel hatte einst nach einer durchzechten, zerredeten Nacht einen ansehnlichen Rotweinfleck auf ihrem Tischtuch mit einer gestrickten, roten Linie liebevoll umrahmt und so dem Vergänglichen, nicht einmal Gewollten Dauer verliehen und zu einem Symbol für ihre damaligen Gedanken und Empfindungen gemacht: „Ein Fleck, der nicht mehr aus dem Tischtuch herausgeht, Worte, die nicht mehr aus dem Ohr herausgehen“, sagte der Schauspieler Axel Siefer zur Eröffnung der Ausstellung »Faden, rot« im Kunstraum Obst.

 

 

Weifenbach fand so viel Gefallen an dieser Technik, dass sie solche Erinnerungsflecke später künstlich und mit durchaus ironischem Akzent nachstellte. So sind auf einem anderen Tischtuch 40 Ränder von säuberlich in Reih und Glied aufgestellten Rotweingläsern zu sehen, wie das etwa bei einer Vernissage vorkommen mag. In jeden dieser Flecke sind – wie Monogramme – zwei Buchstaben eingestickt, was zunächst einmal keinen Sinn ergibt. Doch hintereinander gelesen werden daraus Sätze: „Darf man auf Eröffnungen lachen?“, „Ist Kunst teurer als Kaffee?“ oder „Sollte man beim Malen Wein trinken?“

 

 

 

Inside out

Witzig ist auch die Collage aus Spültüchern mit Monogrammen, die Petra Weifenbach auf Flohmärkten gesammelt: Die Tücher sind nun so über-, unter- und nebeneinander angeordnet, dass die Buchstaben in einer Reihe stehen und das Wort »Mannraeuschlein« ergeben. Das Thema Wert/Unwert beziehungsweise Vergänglichkeit und Unsterblichkeit thematisiert Weifenbach noch einmal, indem sie ein Blatt Toilettenpapier mit Gold bestickt oder Namen wie Rubens, Rodin, Rauschenbach und Rothko in dicken roten Buchstaben auf eine Tischdecke stickt.

 


 

 

 


Petra Weifenbach /// Dietmar Bonnen

Die Sticknadeln hat die Künstlerin übrigens erstmals in die hand genommen, als sie jenen Weinfleck auf ihrem Tischtuch sah. „Danach bin ich mal mit meiner Mutter ans Meer gefahren und hatte einige meiner Arbeiten dabei, um daran weiter zu arbeiten. Meine Mutter ist fast umgefallen, als sie mich mit den Nadeln sah.“

Kölnische Rundschau
Hans-Willi Hermans

 

 

Axel Siefer














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