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Susanne Kessel – Regards

Regards

Franz Schubert
Klavierstück l es-moll
aus: Drei Klavierstücke D 946 (Mai 1828)

Erik Satie
Songe-creux (Träumer)
Effronterie (Unverschämtheit)
aus: Six pièces de la période 1906-1913
Manfred Niehaus
Douze regards sur le cadavre d'ErikSatie(1994)
John Cage
The Seasons (1947) Ballet in one act
Franz Schubert
Klavierstück II Es-Dur, D 946
Erik Satie
Poésie - Assez bleu
aus: Six pièces de la période 1906-1913
Dietmar Bonnen
Blau (1994)
Perlator I-III
Schwarzweiß
Petrolio
Matto(1989)
Schwarzweiß
Xlendi
Franz Schubert
Klavierstück III C-Dur, D 946
Dietmar Bonnen
Herr der Mücken II (1995)

Noten zu
Douze regards sur le cadavre d'ErikSatie von Manfred Niehaus
und Blau von Dietmar Bonnen
im Verlag Dohr www.dohr.de

Aufnahme, Mastering: Ansgar Ballhorn
Aufnahmeassistent: Gagga Deistler
Abmischung: Ansgar Ballhorn, Manfred Niehaus, Dietmar Bonnen und Susanne Kessel
Aufnahme Herr der Mücken II: Ernst Gaida-Hartmann
Abmischung Herr der Mücken II: Ernst Gaida-Hartmann, Dietmar Bonnen
Aufgenommen im LOFT, Köln Ehrenfeld im März 1995
Satie aufgenommen im Konzert am 21. 1. 1995 im LOFT
Herr der Mücken II aufgenommen auf dem Bösendorfer Computerflügel der Musikhochschule Karlsruhe im April 1995

Titelbild »Blau« und Heftgestaltung: Dietmar Bonnen
Fotos: Uli Grohs
Satz: Manfred Voigt

Auf ihrem ersten Album spielt die 1970 in Bonn geborene Pianistin Susanne Kessel, 1993 Preisträgerin des Internationalen Schubert-Wettbewerbs der Stadt Dortmund, Klaviermusik von Franz Schubert, Erik Satie. Manfred Niehaus, John Cage und Dietmar Bonnen. Auf den ersten Blick ein beliebiger Kessel Buntes, aber eben nur auf den ersten. Über das, was die 29 Stücke verbindet, gibt das wie schon bei früheren Veröffentlichungen des Kölner OBST-Labels vorbildlich gestaltete Booklet Auskunft. Keine bunten Bildchen zieren es, sondern ein informativer Begleittext. (siehe CD-Text Christoph Louven)

Man erfährt also etwas aus "Stücken" - aus den vorliegenden unter anderem, daß diese Nachwuchspianistin auch Experimenten nicht abgeneigt ist, die man ansonsten eher von Vertreterinnen der Avantgarde oder von so innovativen Pop-Artistinnen wie Tori Amos erwartet. Den Klavierpart für »Herr der Mücken II« zum Beispiel, die mit knapp anderthalb Minuten kürzeste von sechs Kompositionen des Kölner Pianisten/Organisten/Keyboarders und Zappa-Verehrers Dietmar Bonnen, hat Susanne Kessel auf einem Computerflügel in Echtzeit eingespielt und anschließend abgerufen, um per Hand-Schlag die Rhythmusakzente auf den Deckel ihres Grand dazuzuklopfen.

Mit einer ähnlichen Mischung aus Respekt und Respektlosigkeit nähert sie sich auch den Werken der übrigen Tonsetzer. Cages Ballettmusik »The Seasons« (1947) klingt in Kessels Interpretation weit weniger akademisch als in den sogenannten "Referenz"-Aufnahmen. Saties »Effronterie« ("Unverschämtheit") wird angemessen energisch dargeboten, und Schuberts romantisches »Klavierstück III« in C-Dur (D 946) klingt so angenehm nüchtern, als hätte Martha Argerich in die Tasten gefaßt. Ein bemerkenswertes Debüt also, das eine alte Erfahrung bestätigt: auch winzig kleine Labels haben manchmal riesengroße Talente zu bieten.

Albrecht Piltz
Keyboards 2/96

Eine CD als Programmidee: das Label OBST veröffentlichte Klaviereinspielungen mit der Pianistin Susanne Kessel, bei der besonderen Wert auf die Konfrontation der Werke gelegt wurde. Zum Überzeugendsten der CD gehört der unkonventionelle Blick auf die Klavierliteratur von fast zwei Jahrhunderten (von Schuberts drei Klavierstücken D 946 bis zur Gegenwart). Kein Pianist würde so einen Klavierabend wagen. Warum eigentlich nicht? Denn die Mischung dieser Platte stimmt auf merkwürdig andere Art.

Neue Musikzeitung 3/96

Die aus Bonn gebürtige und an der Kölner Hochschule studierende Pianistin Susanne Kessel hat sich mit ihrer ersten CD viel vorgenommen. Im Grunde genommen spielt sie hier einen kompletten, 80 Minuten währenden (die Platte ist also wahrhaft "randvoll"!) Klavierabend mit höchst interessanten Gegenüberstellungen von Musik Schuberts mit Stücken unseres Jahrhunderts, das jüngste davon war zur Einspielzeit noch kein Jahr alt.

Die drei späten »Klavierstücke« (D 946) vom Mai 1828, also aus Schuberts letztem Lebensjahr, geben der Schubert-Preisträgerin 1993 in Dortmund gleichsam das Stichwort, um musikalische "Verwandtschaften" mit den späteren Komponisten hörbar zu machen, seien sie nun eher zufällig oder gar beabsichtigt wie im Falle von Dietmar Bonnen (Jahrgang 1958), der in seinem 1994 veröffentlichten Zyklus »Blau« dem Phänomen von Klangfarben respektive der Entsprechung von Farben in Klängen, neue Facetten abgewinnt.

Tellerchen leer ...

In den Stücken wird das "mehrspurige" Aufnahmeverfahren benutzt, bei dem die akustische Perspektive nachträglich verändert (und damit der Raumeindruck variiert) werden kann. Im letzten Stück »Herr der Mücken II« von Bonnen wird der Bösendorfer-Computerflügel eingesetzt. Susanne Kessel ist übrigens mit einer Studie über dieses Instrument befaßt, und die Aufnahme dieses Stückes ist Teil dieser Studie.

Soll man nun die Platte Schubert-Freunden empfehlen (die Aufnahme der drei »Klavierstücke« ist spannend und phantasievoll), oder den Freunden unkonventioneller Experimente? Vielleicht beiden, außerdem kommen mit Erik Satie und John Cage (dessen »The Seasons« in der Klavierfassung komplett eingespielt sind) weitere Größen ins Spiel, und auch Manfred Niehaus ist gewiß kein Unbekannter, der mit seinen »Douze regards sur le cadavre d'Erik Satie« von 1994 seinem Hang zu makabren Scherzen frönt, aber auch direkte "Anklänge" an den so Verehrten nicht meidet.

Daneben gibt's "Querverbindungen" die Fülle zwischen Schubert und Bonnen, Schubert und Satie, Niehaus und Cage, aber es geht der Pianistin in diesem Programm wohl nicht darum, dem Hörer musikalische Quizfragen zu stellen, sondern ihn mitzunehmen auf eine Entdeckungsreise, und das ist ihr - auf hohem pianistischen Niveau - gewiß gelungen.

Köln-Bonner Musikkalender 1996

10 von 10 Punkten für Interpretation.

Dmitri Uchov
High End Review Moscow

Poèmes in Blau
Die Bonner Pianistin Susanne Kessel hat im Kölner LOFT ein beeindruckendes Programm von Franz Schubert bis Dietmar Bonnen aufgenommen. Die zunächst sehr heterogen wirkende Versammlung von Klavierwerken aus 170 Jahren rundet sich im Verlauf des Hörens zu erstaunlicher Geschlossenheit. Einerseits verhilft eine ausgeklügelte Programmdramaturgie, die die Werkgruppen zerlegt und neu durchmischt, zu diesem Eindruck.

Zuvorderst aber entsteht die Geschlossenheit durch den fast durchgehend introvertierten und impressionistischen Grundzug der Werke, den die Interpretin mit klangfarbenfreudigem Zugriff und subtilen Anschlagsnuancen noch hervorhebt. Erik Saties Werk ist gar nicht mal so stark vertreten, wirkt aber doch wie ein geistiges Zentrum der Aufnahme. Am dichtesten umkreisen diesen Mittelpunkt fantasievolle »Douze regards sur le cadavre d'Erik Satie« von Manfred Niehaus (1994).

Auch Dietmar Bonnen, Spiritus rector der Einspielung, fügt sich in den Gesamtcharakter mit seinem teils linearen, sogar kraftvoll einstimmigen, teils aber auch gedichthaft sprechenden Zyklus »Blau« (1994) ein, den er seiner Interpretin quasi in die Finger schrieb und ihr dabei große Gestaltungsfreiräume ließ. Als experimentelle Zugabe gibt es den auf dem Boesendorfer Computerflügel der Karlsruher Musikhochschule eingespielten .»Herr der Mücken II« Bonnens, ein lockeres. aufnahmetechnisch geschickt angerichtetes pianistisches Dessert mit Perkussionseffekten auf dem Klavierdeckel, von Christoph Louven in seinem informativen Textbeitrag technisch erläutert.

Von Dietmar Bonnen stammt auch das ansprechende Titelbild der CD, »Blau« benannt und als visueller Partner des musikalischen Zyklus' fast schon überflüssig, so plastisch erstehen dessen Klavierstücke beim Hören auch vor Augen.

Robert von Zahn
fermate 4/1996

Am "Blau in der Musik" kam letztendlich auch der Komponist aus Kaurismäkis Verfilmung von »La Bohème« nicht herum. Und im Zeitalter von Farbenklavieren und Synästhesie schrieb Erik Satie zu Beginn dieses Jahrhunderts ein Stückchen, das er »Poésie - Assez bleu« taufte. Satie, der "Meister der Melancholie", hielt in seiner Musik wie kaum ein anderer gleichsam schwebende Stimmungen fest.

Dazu gesellen sich auf »regards« in wundersamer Leichtigkeit Namen wie Schubert, Cage, Niehaus und Bonnen. Innerhalb dieser Verbindung darf frei assoziiert werden: Natürlich denkt man dabei an die Blaue Blume, "Inbegriff romantischer Sehnsucht nach dem Unendlichen". Niehaus' »Douze regards sur le cadavre d'Erik Satie« vollziehen in Anlehnung Zitate, humorige, collagenhafte Momente und verweisen natürlich auch auf Messiaen, für welchen die Farbe Blau ebenfalls von Bedeutung war. Ganz deutlich die Bewunderung Cages für Satie im »Herbst« von »The Seasons«, und Bonnens »Blau« wird direkt mit dem Saties konfrontiert.

Spy and Spy sind überall

Doch darüber hinaus gelingt es Susanne Kessel, die 1970 in Bonn geboren wurde, die musikalische Verbindung herzustellen, und wem die ganze Angelegenheit bis jetzt zu eintönig oder schwermütig vorkam, der kann beruhigt werden. Die Pianistin hat in ihrem kraftvollen, klaren Spiel viel zu viel sanguinisches Temperament, um in eine derartige Gefahr zu geraten.

Susanne Tegebauer
Schnüss 6/96

Susanne Kessel zeigt eine unverhoffte Nähe zwischen Musik von Franz Schubert und Komponisten unseres Jahrhunderts. Die Pianistin, die den Dortmunder Schubert-Wettbewerb gewann und an der Kölner Musikhochschule bei Pi-Hsien Chen studierte, spielt als Fixpunkte ihres Miniaturenprogramms die Klavierstücke D 946 aus Schuberts Todesjahr 1828. Ihnen steht Erik Satie mit drei Poesien aus seiner späten Lehrzeit 1906-1913 verblüffend nahe. Daß der unorthodoxe Franzose einst von John Cage wiederentdeckt worden ist, wundert nicht. Cages Ballettmusik »The Seasons« (1947, hier in Klavierversion) folgt dem indischen Jahreszeitenzyklus, beginnend mit frostigen "Winter"-Klängen.

Beide, Satie und Cage, trifft man wieder bei dem Kölner Komponisten Manfred Niehaus. Sein Zyklus »Douze regards sur le cadavre d'Erik Satie« (1994) wirkt konzentriert und steckt doch voller Anspielungen. Er gibt denn auch dieser CD den Titel. Von Dietmar Bonnen, der ansonsten mit der Kölner Gruppe FLEISCH zu Rock und Jazz tendiert, folgen die spritzige Miniatur »Herr der Mücken II« und der Zyklus »Blau«, der unter anderem von Yves Klein und wieder Erik Satie inspiriert ist.

Kölner Stadt-Anzeiger 2/97

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