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Snegurotschka

 

Susanne Hille und Dietmar Bonnen

Konzert am 16. April 2005, 18.00 Uhr
in der ehemaligen Synagoge Hülchrath

mit Susanne Hille und Dietmar Bonnen

Musik und Texte
über Bilder von Goya, Bacon und Klein,
über einen Geschäftsmann in Düsseldorf,
über Frauen, die aus dem Fenster fallen,
über eine Witwe, einen Zauberer, über Nasen
und über den Mond.

Von Monteverdi über Mozart zu Cage, Sokolov und Bonnen
für Stimme und div. Tasteninstrumente

Eintrittspreis Euro 12,-/ 8,- (ermäßigt)
Kartenvorbestellung empfohlen unter GEDOK
Tel. 02181/45961

Veranstaltungsort:
Ehemalige Synagoge Hülchrath
Broichstrasse 16
Grevenbroich-Hülchrath

 

 

Susanne Hille

Susanne Hille

 

 

 

 

 

Susanne Hille

Hille und Bonnen

Herr Berg wird von beiden bespielt, die Doira von Herrn Bonnen

 

 

mit Herr Berg

Interessierte Publika

Herr Bonnen erklärt und verklärt

Herr Bonnen

Snegurotschka – ein intellektuelles Abenteuer
Susanne Hille und Dietmar Bonnen luden zu einem Konzertabend der anderen Art ein und wurden mit viel Applaus belohnt

Nasen, neugierige Frauen, Gold und Silber — all das und noch viel mehr präsentierten Susanne Hille und Dietmar Bonnen am Samstag in der ehemaligen Synagoge Hülchrath. Musik und Texte aus vier Jahrhunderten hatten die Düsseldorfer Sopranistin und der Kölner Komponist und Musiker zusammengestellt. Mit viel Neuer Musik und einigen klassischen Elementen machte das Duo den Abend zu einem intellektuellen Abenteuer.
Gekoppelt an Sibylle Spelsbergs aktuelle Ausstellung in der Synagoge, folgte der Konzertabend auch einem ganz ähnlichen Kunstkonzept. Zwar führte Susanne Hille gewandt durchs Programm, wohlfeile Erklärungen zu den teilweise recht sperrigen Kompositionen gab es aber nicht. Frei vom Ballast vorgegebener Interpretationen sollte das Werk allein auf das Publikum wirken. Das fing schon beim Titel an. Snegurotschka, so heißt im russischen Märchen die Enkelin von Väterchen Frost. Dietmar Bonnen hat eines seiner Instrumentalstücke so genannt. Dazu rezitierte Susanne Hille einen Text des russischen Avantgarde-Autors Daniil Charms. Dieser indes handelte gar nicht von der Märchenfigur, sondern von neugierigen Frauen und ihren Stürzen aus dem Fenster.

Gleich ein ganzes Arsenal von Instrumenten hatte das Duo mitgebracht, etwa eine Klangskulptur des Düsseldorfer Künstlers Peter Hölscher. Ganz traditionell dagegen die Doika, ein Perkussionsinstrument aus Usbekistan. Ferner allerlei elektronische Instrumente.
Die Organetta beispielsweise, nicht größer als ein Schuhkarton, in putzig altmodischem Design. Speziell für Organetta hat der zeitgenössische Komponist Ivan Sokolov das Stück „Bach Dach” verfasst. Die Tonsymbole verweisen auf den Namen des Leipziger Thomaskantors. Und der zweite Teil des Titels soll an Daniil Charms erinnern, jenen besagten russischen Avantgarde-Autor. Gemeinsam ist all diesen Instrumenten ihr handliches Format.
Die Auswahl wurde nicht zuletzt durch den Spielort bestimmt, sagt Susanne Hille: „Ein Klavier hätte gar nicht durch die Tür gepasst.” Eine Herausforderung ist der Raum auch für die Sängerin selbst: „Die Akustik ist zwar wunderbar, aber ich muss meine Stimme zurücknehmen, sonst wird's zu laut.” Das hat sie bestens hinbekommen und kam dazu noch ungemein präsent und lebendig rüber. Das Publikum belohnte die Künstler mit lang anhaltendem Applaus.

Von Inge Hüsgen, Grevenbroich

Konzert mit Mini-Klavier

Zu einem ungewöhnlichen Konzertabend luden jetzt Susanne Hille und Dietmar Bonnen in die Ehemalige Synagoge Hülchrath. Unter dem Titel „Snegurotschka” boten sie Musik und Texte zu mal amüsanten, mal nachdenklich stimmenden Geschichten des Alltags. Susanne Hille ist Konzert- und Opernsängerin und lebt in Düsseldorf. Sie ist Mitglied der Künstlerinnengemeinschaft „Gedok A 46”, die das Konzert organisierte. Regelmäßig tritt sie gemeinsam mit dem Kölner Musiker und Komponisten Dietmar Bonnen auf, der bereits einige Musikstücke für sie geschrieben hat. In Hülchrath erwiesen sie sich als gut aufeinander eingespieltes Duo, dem es problemlos gelang, das Publikum rund zwei Stunden lang in seinen Bann zu ziehen.

Stimmgewaltiger Auftritt
Gleich zu Beginn stellte Susanne Hille ihre Stimmgewalt eindrucksvoll unter Beweis: Während das Publikum noch wartete, begann die Sängerin bereits im Flur mit dem ersten Lied, das sie lautstark und a capella zum Besten gab. Die ersten Stücke des Abends stammten aus dem 17. Jahrhundert, doch später präsentierten die Musiker auch zeitgenössische Lieder. Dietmar Bonnen hatte die musikalische Begleitung übernommen und nutzte dafür mehrere, ungewöhnliche Musikinstrumente. Während Hille etwa von alten Frauen erzählte, die sich aus dem Fenster lehnen und dann herausfallen, spielte Bonnen auf einem Klavier im Miniatur-Format.

„Dieses Toy-Piano hat etwa John Cage recht häufig eingesetzt”, so Hille. „In der modernen und experimentellen Musik wird es öfter genutzt.” Ein rasantes „Solo„ legte Dietmar Bonnen auch auf einem anderen Mini-Klavier, einem hellgrünen Organetta, hin. Für diese ungewöhnliche Instrumentenwahl gibt es eine logische Erklärung: „Der Flur ist so schmal, dass wir kein gewöhnliches Klavier hier herein bringen konnten”, so Hille. Zu dem Lied „Gold und Silber lieb ich sehr” spielte sie auf der Klangskulptur „Herr Berg”, die aus sechs Metallsaiten und einem Holzbrett besteht.

Name aus russischem Märchen
Dietmar Bonnen begleitete dieses Lied auf der „Doira”, einem traditionellen Percussion-Instrument aus Usbekistan. Der zunächst verwirrende Titel des Konzertes erklärte sich schließlich von selbst: „Snegurotschka” ist der Name einer Bonnen-Komposition — und in einem alten russischen Märchen die Enkelin von Väterchen Frost. „Wir wollten damit neugierig machen”, meinte Hille. Äußerst kontrastreich war das Programm: Mal sang die Künstlerin mit ruhiger Stimme von einem Geschäftsmann, der täglich auf den Rhein blickt und dabei vom Meer träumt, mal zeigte sie die große Bandbreite ihrer Stimme: von ganz hoch, über tief und laut bis leise. Locker erklärte Hille schließlich dem Publikum: „Das war jetzt eine kleine Sept. Nicht, dass irgendwer denkt, hier könnte irgendwer nicht singen.”

HÜLCHRATH (lina)

Snegurotschka: Poesien des Alltags

Zum zweiten Mal trat das Tuchmachermuseum im Rahmen der Konzertreihe Bramscher Note als Veranstalter auf. Zum zweiten Mal wurde dem Publikum ein Abend geboten, der nicht nur die Grenze zwischen Musik und bildender Kunst überschritt, sondern in dem allein die Musik schon für Übergangserfahrungen sorgte und das auf einem Niveau, was ansonsten eher in großen Städten heimisch ist.

Für den vergangenen Freitagabend waren die Sängerin Susanne Hille und der Pianist und Komponist Dietmar Bonnen eingeladen, ein Konzert rund um die stickende Frau zu entwickeln. In der Mitte des weiß getünchten Raumes der Kornmühle sitzt das Publikum. Rundherum stehen vereinzelt Tische, gedeckt mit Exponaten der Künstlerin Petra Weifenbach. Da gibt es zum Beispiel Tischdecken, deren kreisrunde Rotweinglaskringel signiert sind, deren Kaffeeflecken mit einem roten Kreuzstich markiert sind oder deren Schmutzflecken herausgeschnitten sind, sodass offene Wunden klaffen.
Zwischen den Tischen und in den Wandnischen sowie auf dem Boden stehen verschiedenste Instrumente. Neben dem pompösen Bösendorfer kommt unter anderem ein kleines Keyboard, ein schon antikes Casiotone 220 aus den frühen

Achtzigern zum Einsatz, eine Organetta der Firma Hohner, eine Art elektrisch betriebene Melodika im Miniaturflügelformat, ein Glockenspiel, eine Zither sowie ein Akkordeon und schließlich ein amerikanisches Spielzeugklavier, ein sogenanntes Toy-Piano.

Für Abwechslung ist gesorgt. Zu Beginn schreitet die Sängerin, sich einen goldenen Spiegel vorhaltend, mit der a cappella gesungenen Juwelenarie aus Gounods Faustoper in den Konzertraum. Die Gretchengestalt bildet einen geheimen roten Faden des Konzerts; sie wird quasi zur Chiffre der spinnenden, der webenden und stickenden Frau, ob sie nun Flora wie in John Hiltons Ayre aus dem Jahre 1627 oder Penelope, wie die Frau des Odysseus, oder anders heißt. Die Werke des Konzerts ranken sich um die Geduld, die Beständigkeit, die Ruhe und den Verzicht, die Unterwürfigkeit und Dienstbeflissenheit, die ein bürgerlich-männlicher Blick der Frau zugeordnet hat.
Verwandt mit ihr sei die Gestalt der Snegurotschka, die Enkelin des Väterchens Frost, die Haushälterin der Hexe Baba Yaga, die in der russischen Überlieferung eine Jungfrau-Mutter-Weib-Gestalt ist und damit in die Reihe der schicksalswebenden, den Lebensfaden spinnenden Göttinnen gestellt werden darf. So weit interpretieren die Musiker diese Gestalt, und genauso assoziativ verläuft der rote Faden durch das Konzert.

Und hier begegnet sattsam Bekanntes in neuem Gewand. Bekannte Lieder werden von den Künstlern neu markiert, in neue Kontexte gerückt und mit neuen, zeitgenössischen Kompositionen ins Verhältnis gebracht. So werden Monteverdis Madrigali Amorosi neben eine Jazzballade für Klavier von Randy Newman gestellt. Mozarts neckisch-rokokohaftes Lied »Der Zauberer« wird durch eine perkussive Begleitung auf dem Akkordeonkoffer zu einer surrealistischen Jagd und zudem von einer Klaviersongfassung von Pink Floyds »Wish you were here« sowie von Led Zeppelins »Stairway to heaven« kontrastiert. Pergolesis »Ninetta« und Hugo Wolfs »Fädchen« stoßen auf Hugo Balls Dada-Gedicht »Karawane«, welches mit orientalischen Arabesken auf der Organetta und mit einem zum Tamburin umfunktionierten und mit einem Webschiffchen rhythmisch traktierten Stickrahmen begleitet wird.
Franz Schuberts Klavierlied »Gretchen am Spinnrade« wird von Dietmar Bonnen auf der Zither begleitet: Mit zwei Teelöffeln hat er eine Begleitung entwickelt, die Text und Melodie von Schubert durch immer lautere und tiefere Klänge der Zither in geradezu

existenzialistische Untiefen treibt. Kongenial und ein weiterer Höhepunkte des Abends ist die Aufführung von John Cages 1948 komponierter »Suite für Toy-Piano«. Genauso wie Cages Werke für präpariertes Klavier gehört die Suite zu den musikgeschichtlich bedeutsamen, nichtsdestotrotz wenig gespielten Werken des 20. Jahrhunderts. Im Rahmen der Ausstellung entfaltet sich hier eine Poesie des scheinbar schon oft Gehörten, aber noch nie Wahrgenommenen, eine Poesie, die sich an der Verfremdung des Alltäglichen und Gewöhnlichen entzündet. Genau dieses poetische Verfahren kennzeichnet auch die Textilobjekte von Petra Weifenbach.

Osnabrücker Zeitung 16.3.09
Ludger Rehm